Google und das Dilemma der Finanzminister

Brüssel · EU-Kommission prüft provisorische Maßnahmen der Besteuerung und wartet auf Vorschläge von der OECD.

Brüssel Der Fall Google in Frankreich verdeutlicht das Dilemma der Finanzminister weltweit: Der französische Fiskus hatte eine Milliarde Euro Steuern vom Internetgiganten Google gefordert. Das Unternehmen ging dagegen rechtlich vor - und gewann. Das französische Gericht gab Google recht. Begründung: Google unterhält keine Niederlassung in Frankreich. Dabei sammelt der Konzern fleißig Daten von den Franzosen, wenn sie die Suchmaschine bemühen, und verdient damit viel Geld.
Die Digitalisierung bringt zunehmend Geschäftsmodelle hervor, bei denen sich die Steuerverwaltung schwertut. Vielfach werden nicht einmal mehr reale Güter gehandelt, vielfach entsteht der Gewinn der Unternehmen aus der Nutzung von Daten und Ideen. Digitalfirmen, die ihren Sitz in der EU haben, zahlen im Schnitt effektiv nur neun Prozent Steuern auf ihre Gewinne, das ist weniger als die Hälfte von dem Steuersatz, den Unternehmen mit herkömmlichen Geschäftsmodellen zu zahlen haben. Digital-Konzernen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, gelingt es häufig, die effektive Steuerlast noch stärker zu drücken. So hat es Apple jahrelang geschafft, weniger als ein Prozent Steuern auf die Gewinne zu zahlen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bei seiner Rede vergangene Woche in Straßburg versprochen, dass Brüssel für Abhilfe sorgt. Sein für Finanzen zuständiger Vize, Valdis Dombrovskis, hat jetzt mitgeteilt, wie Brüssel vorgehen will. Die Kommission will zunächst abwarten, ob auf OECD-Ebene ein Weg für eine Besteuerung der Digitalunternehmen gefunden wird. Die OECD will Anfang 2018 Vorschläge machen. Brüssel will konkrete Ergebnisse sehen: "Es ist wichtig, dass der Bericht Optionen identifiziert."
Parallel dazu soll die EU eigene Pläne für eine wirksamere Besteuerung von Unternehmen in der digitalen Welt entwickeln. Einen Gesetzgebungsvorschlag dazu will die Kommission frühestens im Frühjahr vorlegen. Basis dafür seien die laufenden Arbeiten an EU-weiten Regeln für die Bemessung der Körperschaftsteuer, also der Gewinnsteuer, die von Konzernen zu zahlen ist. Dazu hat die Kommission bereits einen Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt, dessen Umsetzung derzeit mit den beiden Co-Gesetzgebern in der EU, also Europaparlament und -rat, dem Gremium der Mitgliedstaaten, verhandelt wird. Dass es bald zu handfesten Ergebnissen kommt, ist eher unwahrscheinlich: Steuerfragen müssen in der EU von allen Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen werden. Irland und andere Mitgliedstaaten, die Digitalkonzerne mit attraktiven Steuersätzen angelockt haben, sorgen sich um ihr Geschäftsmodell und werden Widerstand gegen eine höhere Besteuerung leisten.
Doch in Frankreich und anderen Mitgliedstaaten rumort es. Sie wollen sich nicht damit abfinden, dass erst dicke Bretter gebohrt werden müssen, bevor Google & Co. mehr Steuern zahlen. Vor allem der französische Finanzminister Bruno le Maire macht Druck. Die Kommission prüft daher, ob übergangsweise Regeln zur Besteuerung von Digitalunternehmen eingeführt werden können, bis es EU-weit oder OECD-weit tragfähige Lösungen gibt. Frankreich etwa hat dafür eine sogenannte Ausgleichsabgabe in die Diskussion eingebracht.
Diese Form der Besteuerung wäre allerdings steuerrechtlich ein Bruch mit bisherigen Regeln: Während bislang der Gewinn von Unternehmen besteuert wird, wäre dies eine Besteuerung des Umsatzes. Ein heilloses Durcheinander würde wohl in der Praxis drohen. Bis es so weit ist, dass Steuern fließen, müssen noch viele Fragen geklärt werden. Es fängt schon damit an: Wer treibt die Steuer auf die Geschäfte im Netz eigentlich ein?

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