Güllefass statt Griechenland-Ferien

Lissendorf/Mainz · Urlaub? Für Landtagspolitiker Marco Weber bedeutet das, Felder zu düngen. Auf einer Traktorfahrt mit dem TV erzählt der Eifeler von Landwirtschaft. Und wie er Lehrgeld zahlte.

 Urlaub mal anders: Landtagspolitiker Marco Weber düngt lieber Felder, als sich am Meer zu sonnen.

Urlaub mal anders: Landtagspolitiker Marco Weber düngt lieber Felder, als sich am Meer zu sonnen.

Foto: Klaus Kimmling

An der Kläranlage stoppt Marco Weber den Traktor. Er steigt ab, stöpselt ein Pumpenrohr an das riesige, am Trecker hängende Güllefass. Und wartet. Die schwarze Brühe fließt, Minuten vergehen, dann ist das Fass voll. 16.000 Liter. Weber löst das Rohr wieder, klettert den Traktor hinauf und startet den Motor. "Das ist schon was anderes, ne?", sagt der Eifeler. Und tuckert los.

Im Alltag ist der 42-Jährige Landtagsabgeordneter und parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion in Rheinland-Pfalz. Wo Parlamentskollegen die Sommerferien nutzen, um nach Fuerteventura, Griechenland oder Mallorca zu fliegen, arbeitet Weber auf dem Familienhof in Lissendorf, einem 1100-Einwohner-Ort in der Vulkaneifel.

Der Wecker klingelt morgens um sechs Uhr. Weber kümmert sich um die Schweine im Stall, fährt die Ernte ein und Gülle aus. In Arbeitshose und Unterhemd, nicht in Anzug und Krawatte, der Montur, mit der Weber seit einem Jahr für die Liberalen im Parlament sitzt und wo er Fäden zieht. Manchmal, das gibt der gelernte Landwirt zu, fremdelt er aber noch mit dem Politikbetrieb in der Landeshauptstadt. "In der Eifel verstehe ich die Leute, in Mainz nicht immer."

Welche Sprache in der Landeshauptstadt gefragt ist, erfuhr der Mann mit dem Eifeler Dialekt früh am eigenen Leib. Sommer 2016: Der chinesische Hahn-Bieter SYT entpuppt sich als mutmaßlicher Schwindler. Wo andere Politiker aus Treue zum frisch geschmiedeten Ampelbündnis aus SPD, FDP und Grünen kein böses Wort verlieren, sagt Weber in einer Pressekonferenz, Rot-Grün habe den Hahn versemmelt. Die Folge: Koalitionspartner zetern im internen Kreis, das Telefon klingelt Sturm, einmal ist auch der FDP-Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Volker Wissing an der Strippe. "Nach Schulnoten hätte er mir für mein Statement wohl eine Fünf gegeben", sagt Weber heute. Und beteuert, nach wie vor zum Versemmelt-Satz zu stehen. "Ich will mir eine klare Kante bewahren. Glattgeschliffene haben wir schon genug."

Auch den Spagat zwischen Parlament und Hof musste Weber aushalten lernen. Wo ihn im vorigen Jahr Koalitionspartner gescholten haben, er fehle in den Ferien als Gesprächspartner in Mainz, fährt er nun auch in der Sommerpause mehrere Tage pro Woche in die Landeshauptstadt. Vor einem Jahr sei er nicht so weit gewesen, die Familie mit der Ernte alleinzulassen, gibt der dreifache Familienvater zu. "Es war schwer zu ertragen, dass zuhause die Luft brennt und ich nicht helfe." Inzwischen führt Bruder Udo den Hof mit 400 Hektar Fläche und 2000 Schweinen weitgehend allein, auch Vater und Mutter packen auch mit an. Weber sagt, er würde sich mehr Politiker wünschen, "die das wahre Leben kennen und Ahnung von den Dingen haben, über die sie reden".

In Mainz, wo die FDP-Fraktion und besonders deren Vorsitzender Thomas Roth wegen fehlender Impulse häufig in der Kritik stehen, will der Vulkaneifeler die Landwirtschaft in den Blick nehmen. Er kündigt ein Symposium für Oktober an, das Versicherungswirtschaft, Bauern und Politik ins Gespräch bringen soll. Werber schwebt ein Modell vor, bei dem Bauern in Zeiten starker Unwetter ihre gesamte Ernte versichern können. Das Land könne dies mit einem Beitrag unterstützen, meint er. Der Eifeler, dessen Vater und Opa CDU-Mitglieder waren, weiß, wovon er spricht: Mehr als 15 Jahre sei es her, dass Hagel den Raps und das Getreide auf dem heimischen Hof fast komplett ruinierte. "Zum Glück hatten wir eine Hagelversicherung. Aber die Geschichte zeigt, wie schnell ein Landwirt vor dem Nichts stehen kann."

Als Weber das sagt, lenkt er den Traktor mit dem Güllewagen vorsichtig auf den Acker. Einige Minuten lang zieht er Furchen, in denen die schwarze Brühe einsickert. Dann ist das Fass wieder leer. Und Weber steuert den Traktor zurück zur Kläranlage. "Für mich ist das Urlaub", sagt der 42-Jährige, der bis zum Ende der Sommerferien in zwei Wochen noch häufiger auf dem Hof arbeiten dürfte. Denn die Ernte der Wintergerste in Lissendorf, die will Weber ganz gewiss nicht versemmeln.

Abseits vom politischen Betrieb porträtiert der TV hier in unregelmäßigen Abständen rheinland-pfälzische Politiker.

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