Höhere Anforderungen - steigender Druck

Lehrer, Schüler und Eltern sind sich einig: Die Anforderungen an und in der Schule steigen - und sorgen für zunehmenden Druck. Private Nachhilfe für Schüler wird dabei immer häufiger zur Dauereinrichtung.

Mainz. Es ist das verschärfte Lerntempo in der Schule oder schlicht die Angst vor einem schlechten Abschluss, die Pennäler zunehmend zur Nachhilfe treibt. Das Problem wächst und die Dauer der Nachhilfe steigt, weiß Felix Martens von der Landesschülervertretung. Er kennt genügend Fälle, in denen die Schüler ohne dauerhafte Nachhilfe nicht mehr mitkommen. So werde Schule ihrem Anspruch nicht mehr gerecht, kritisiert Martens.Und dann wird Bildung wieder zur Geldfrage. Allein für professionelle Nachhilfe werden bundesweit mehr als 700 Millionen Euro ausgegeben, so der Bundesverband der Nachhilfe- und Nachmittagsschulen (VNN). Wem zweimal in der Woche für 90 Minuten in einer Gruppe von vier bis fünf Kindern in einzelnen Fächern auf die Sprünge geholfen wird, muss im Monat durchschnittlich 120 bis 150 Euro zahlen. Immer mehr wird allerdings auch Einzelunterricht nachgefragt (18 bis 35 Euro pro 45 Minuten), sagt VNN-Vorsitzende Cornelia Sussieck. Studien der Universität Bielefeld kommen zum Schluss, dass Nachhilfe inzwischen mehr ist als die früher übliche Soforthilfe.

Schüler werden krank, weil sie überfordert sind

Nachhilfelehrer können demnach sogar Lern- und Entwicklungspotenziale oft besser ausschöpfen als Fachlehrer. Ob Mathe, Englisch oder Deutsch (die gefragtesten Fächer), es geht vor allem um Vorbereiten auf Klassenarbeiten, Wissenslücken oder Verbesserung der Noten.

Die seit Jahren anhaltende Diskussion der Bildungspolitiker über eine verstärkte individuelle Förderung registriert Sussieck als Phantomdiskussion. Sie traut den Politikern kein Konzept innerhalb des bisherigen Schulsystems der Breitenbildung zu, das diesen Punkt angemessen umsetzen kann. Was sie als Leiterin einer Nachhilfeschule erlebt, sieht anders aus: Schüler sind krank oder in therapeutischer Behandlung und oft am Ende, weil sie überfordert sind. Von individueller Förderung keine Spur. Die Lehrer setzen oft erhebliches Nacharbeiten zu Hause voraus.

"Mehr als erstaunt" hat auch Miriam Lörz, Sprecherin der Landeselternbeirates für den Bezirk Trier, diese Erfahrung gemacht, nachdem sie viele Jahre im Ausland gelebt und mit ihren Kindern andere Schulsysteme kennengelernt hat. Wie viel meist die Mütter mit den Kindern mitarbeiten müssten, sei enorm, so Lörz. Weil viele Eltern diese private Nachhilfe wegen eigener Lücken nicht mehr leisten können, bleibt oft nur noch der Weg über bezahlte Schüler und Studenten oder zu professionellen Instituten.

Von einer seit Jahren laufenden "schleichenden Privatisierung von Schule und Unterricht" spricht Hjalmar Brandt vom Lehrerverband VBE. Auch er ist überzeugt, dass das derzeitige Bildungssystem auf die vielfach beschworene individuelle Förderung der Schüler nicht ausgerichtet ist. Der Trend zur Ganztagsschule sei zu begrüßen, sagt Brandt. Eine Umkehr werde aber auch er nicht schaffen.

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