"Haben uns schwer getan"

FEUSDORF/TRIER. Für fünf Jahre und drei Monate soll ein 36-jähriger Mann hinter Gitter, der in Feusdorf (Kreis Daun) sein eigenes Haus angezündet hat. Die 3. Große Strafkammer beim Trierer Landgericht ließ in ihrer Urteilsbegründung sogar Bedauern über die Höhe der Strafe erkennen.

Es gibt Angeklagte, die sind eine Strafe für ihre Verteidigung. Harald R. ist so einer. Wo immer er die Gelegenheit hat, reitet er sich noch tiefer rein. Sein Anwalt baut ihm goldene Brücken, versucht alles, um eine langjährige Haftstrafe zu verhindern. R. müsste ein bisschen mitspielen, dem Gericht, der Anklage, dem Gutachter jene Vorlagen liefern, die es ermöglichen, über "mildernde Umstände" zu reden. Aber, ob aus Sturheit, Ehrlichkeit oder Naivität: Er vergeigt alle Chancen, schlägt selbst noch im Schlusswort seinem Verteidiger die Argumente aus der Hand. Es gibt Gesetze, die sind eine Strafe für die Richter, die sie anwenden müssen. Das Hauptverfahren ergibt einen Tatbestand, der einen bestimmten Strafrahmen zwingend vorschreibt. Aber die Vorgabe passt nicht zu dem Täter, der da vor Gericht steht. Doch es gibt keinen Spielraum. Harald R. hat Ende März sein Wohnhaus im Eifelort Feusdorf angezündet. Wochenlang hatte er zusammengeknülltes Papier und Zeitungen in Zimmern, Schränken und unterm Dach verteilt. Eines Nachts, mit 2,4 Promille Alkohol im Blut, goss er ein paar Spritzer Benzin aus und zündelte an mehreren Stellen gleichzeitig. Dank einer aufmerksamen Nachbarin kam die Feuerwehr rechtzeitig und verhütete Schlimmeres, es blieb bei 10 000 Euro Sachschaden. Harald R. stand schwankend vor der Tür, ging zwischendurch sogar mal ins brennende Haus zurück. "Ich hatte das Gefühl, er wollte da drin sterben", sagt eine Augenzeugin. Als die Polizei ihn verhört, leugnet er die Brandstiftung nicht. Der freundliche Beamte ("R. hat mir ein bisschen Leid getan") fragt, ob es wegen der Versicherungssumme sei. R. sagt er "Ja". Eine Aussage mit fatalen Folgen. Die Brandstiftung des Harald R. hat eine lange Vorgeschichte, die in seinem Kölner Elternhaus beginnt. Ein beinharter Vater und eine überbehütende Mutter, ein schwerer Mofa-Unfall mit langjährigen Schmerzen und künstlicher Hüfte im Teenie-Alter, der finanzielle Ruin der zuvor wohlhabenden Eltern: Vielleicht liegen da die Ursachen für sein Abgleiten in die Drogenszene.Straftat mit langer Vorgeschichte

"Ich bin mit der Situation zurechtgekommen, er nicht", sagt sein Bruder, ein selbstständiger Kaufmann. Eine Zeit lang hat er Harald in seinem Betrieb beschäftigt, "bis es wegen der Drogensucht und des Alkohols nicht mehr ging". Harald R. schafft es immerhin, vom Heroin und Kokain loszukommen, allerdings um den Preis massiven Alkohol- und Haschisch-Konsums. Sein Bruder zahlt ihn aus, von dem Geld kauft er das Haus in dem kleinen Eifeldorf - eine Art von Flucht. Seine beiden Hunde sind die einzigen Lebewesen, mit denen er regelmäßig Kontakt hat. "Ein stiller Einzelgänger", sagt seine Nachbarin, "etwas merkwürdig." Der psychiatrische Gutachter nennt das im Verfahren "schizotype Störung", kombiniert mit einer schweren Sucht. Von einer "dauerhaften psychischen Erkrankung" spricht der Arzt, der nicht so wirkt, als würde er es sich leicht machen mit diesem Angeklagten. Aber einen direkten Zusammenhang der Krankheit mit der Tat vermag er nicht zu erkennen, mithin auch keine Minderung oder gar einen Ausschluss der Schuldfähigkeit. Dis Situation eskaliert zwei Monate nach dem Tod seines Vaters. R. ist pleite, das Arbeitsamt bockt bei seiner Arbeitslosenhilfe, im Haus stapeln sich die Bierkisten. Schon wieder ist ein Lebensentwurf gescheitert. Seine ungeschickten Versuche, das Haus zu verkaufen, bleiben erfolglos. Er will zurück zu seiner Mutter. Wochenlang hat er über die Brandstiftung nachgedacht, abgecheckt, ob den Nachbarhäusern auch keine Gefahr droht. Dann startet er seinen unglaublich dilettantischen Versuch. "Fast eine Art Hilferuf", sagt sein Verteidiger im Plädoyer. Aber Hilferufe sind im Strafgesetzbuch nicht vorgesehen, schon gar nicht bei einem archaischen Tatbestand wie Brandstiftung. Hätte Harald R. sein eigenes Haus mit einem Presslufthammer demoliert, um irgendeine Versicherung abzukassieren, und dabei einen vergleichbaren Schaden angerichtet, würde man über eine Bagatelle reden. Aber beim Paragraphen 306, der die Brandstiftung regelt, schwingen noch die mittelalterlichen Stadtbrände mit, da wird die Sachbeschädigung zum Schwerverbrechen. Auch wenn, wie das Gericht im Fall R. ausdrücklich bestätigt, andere Häuser aufgrund der Entfernung zum Brandherd nicht konkret gefährdet waren.Gesetzgeber gibt Mindeststrafe vor

Ist das Motiv dann noch eine Straftat wie etwa ein Versicherungsbetrug, und ist der Angeklagte uneingeschränkt schuldfähig, dann nennt der Gesetzgeber das "besonders schwere Brandstiftung" und sieht eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor. So bleibt der Kammer nichts anderes übrig, als nach langer Beratung eine Strafe über Harald R. zu verhängen, für die man sonst schon einen mittelschweren Totschlag begehen kann. "Wir haben uns damit sehr schwer getan", sagt der Vorsitzende Richter Björn Schlottmann fast entschuldigend in Richtung des Angeklagten, "aber an diesem Ergebnis kommen wir nach Lage des Gesetzes nicht vorbei."

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