Halb Arzt, halb Manager

TRIER. Briefe diktieren, Daten analysieren, Entlassungen veranlassen – was sich wie die Stellenbeschreibung eines Managers anhört, ist der Alltag von Gerrit Schneider. Er ist aber kein Manager, sondern Assistenzarzt im Trierer Brüderkrankenhaus.

Gerrit Schneider arbeitet in der Kardiologie. Achteinhalb Stunden arbeitet er am Tag. Wenn alles gut geht. Und manchmal auch in der Nacht. Normalerweise beginnt Gerrit Schneider morgens um 8 Uhr. Visite. Zirka 20 Patienten betreut der Assistenzarzt. Blut abnehmen, Gespräche führen, die Krankendaten vergleichen. "Das ist das erste, was ich morgens mache", sagt Schneider. Danach setzt sich der Arzt vor den Computer. Vergleicht die Patienten-Daten, checkt Laborergebnisse, analysiert Krankenverläufe, telefoniert. Auf dem Dienst-Handy ist er immer erreichbar. Überall. "Früher hatten wir diese Pieper, heute sind wir jederzeit über die Handys zu sprechen", sagt Gerrit Schneider. Jederzeit - das ist für Schneider auch in der Mittagspause. "Wir können nun mal nicht sagen: ,Wir sind jetzt nicht da.' Wenn es einem Patienten schlecht geht, müssen wir hin", sagt der Arzt. Auch sonst hat der Fortschritt im Trierer Brüderkrankenhaus Einzug gehalten: Untersuchungsergebnisse werden vom Labor direkt in die Computer-Krankenakte eingegeben, alle Krankenverläufe sind dort gespeichert, auch frühere Erkrankungen und die Medikamenten-Dosis. "Dank der Computer geht alles viel schneller. So können wir direkt reagieren", sagt Schneider. Am Computer kümmert er sich auch um Entlassung und Neuaufnahme der Patienten. Pro Patient, der das Krankenhaus verlässt, diktiert er einen Brief an den behandelnden Hausarzt. "Das dauert auch so zirka 15 Minuten pro Brief. Bei 20 Briefen in der Woche kommt da einiges an Zeit zusammen", sagt der Arzt. Bei Neuaufnahmen der gleiche Zeitaufwand. Außerdem sind dann Gerrit Schneiders Qualitäten als Manager gefragt. Anhand des Krankheitsbilds muss er prognostizieren, wie lange der Patient ein Bett belegt - wegen der Krankenkassen. "Die Aufenthalts-Dauer wird immer kürzer", sagt Schneider. Verdichtung nennen die Ärzte das. Für Gerrit Schneider bedeutet die Verdichtung einen höheren Zeitaufwand. Denn es werden mehr Menschen eingeliefert und entlassen. Der Zeitaufwand dafür pro Patient bleibt aber gleich. Normalerweise geht Gerrit Schneider um 16.30 Uhr nach Hause. Wenn alles gut geht. Wenn nicht, muss er Überstunden machen. Oder Nachtdienst, so wie heute. Da bleibt er bis gegen 10 Uhr am nächsten Morgen im Krankenhaus. "Um 8 Uhr endet der Nachtdienst, aber ich muss in den zwei Stunden noch meine Station so weit es geht betreuen", sagt Schneider. Allzu häufig kommt diese Sonderschicht nicht vor: Zirka einmal im Monat hat Schneider einen 25-Stundendienst am Samstag, einmal einen Nachtdienst und einmal einen Nachtdienst am Freitag oder Sonntag. Diese zusätzlichen Stunden bekommt er bezahlt. Genau wie die Überstunden. Das ist allerdings im Trierer Brüderkrankenhaus eine Besonderheit, auch dank der Arbeitszeit-Erfassung, die es dort seit 2003 gibt. "In den Unikliniken sieht das anders aus", sagt Professor Doktor Hans-Peter Busch, Chefarzt im Brüderkrankenhaus. "Dort werden die Leute dafür bezahlt, als Arzt zu arbeiten und nebenbei zu forschen. Wie lange sie dafür am Tag arbeiten, ist egal", sagt Busch. Den Ärzten der Uni-Kliniken nicht. Sonst würden sie heute nicht streiken.

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