Hartz IV macht Kinder arm

MAINZ. Die Kinderarmut hat nach Angaben des Kinderschutzbundes erschreckend zugenommen: Für jedes zehnte Kind in Rheinland-Pfalz wird Sozialgeld gezahlt. Die katastrophalen Folgen von Hartz IV müssten abgemildert werden, fordert Landesvorsitzende Jeanette Rott-Otte.

Die schlimmsten Befürchtungen zu Hartz IV sind nach Überzeugungen des Kinderschutzbundes Rheinland-Pfalz eingetroffen, ja "eigentlich übertroffen worden". Zwar bemängelt der Anwalt des Nachwuchses, dass ihm viele regional aufgeschlüsselte Zahlen fehlen und die Statistiken nach den Sozialreformen nur schwer vergleichbar seien. Doch steht für ihn eindeutig fest: Mit landesweit 63 000 Sozialgeld-Empfängern unter 15 Jahren gilt jedes zehnte Kind als relativ arm. Bundesweit trifft das Schicksal bei mehr als 1,63 Millionen Betroffenen sogar fast jedes siebte Kind (13,4 Prozent). Kinder von allein Erziehenden oder Arbeitslosen, die mit weniger als 900 Euro auskommen müssen, wohnen laut Kinderschutzbund-Vorsitzender Jeanette Rott-Otte oft in beengten Verhältnissen, sind häufiger krank und haben schlechtere Bildungschancen. Hartz IV müsse reformiert werden, fordert die frühere Mainzer Frauenministerin und verlangt eine unabhängige Existenzsicherung für den Nachwuchs. Es darf aus ihrer Sicht nicht dazu kommen, dass Kinder nicht krankenversichert sind. Sie plädiert zudem für mehr Kinderhäuser zur Förderung von Jungen und Mädchen in sozialen Brennpunkten. Die armen Kinder von heute seien die Sozialhilfeempfänger von morgen, warnt Rott-Otte. Weil die Lebensumstände des Nachwuchses nicht nur vom Geld abhängen, will der Kinderschutzbund die Erziehungsberatung für Eltern weiter ausbauen. Noch zu oft herrscht nach Angaben von Pädagogin Susanne Mattern beim Umgang mit Kindern Gewalt vor, sei es körperlich oder psychisch durch Liebesentzug oder verordneten Lernstress. Die Nachfrage nach Kursen "Starke Eltern - Starke Kinder" steigt immens, auch wenn viele Eltern eine Hemmschwelle überschreiten müssten oder die kostenpflichtigen Kurse nicht an ihrem Wohnort belegten. Ab 2006 hofft der Schutzbund mit Förderung der "Aktion Leben", seine Beratung auch für Einwandererfamilien, vor allem türkische Eltern, anbieten zu können. Gewaltverständnis und die geschlechtsspezifischen Lebensumstände spielten in Migrantenfamilien eine besondere Rolle, so Mattern. Zunehmend öfter wurde in den vergangenen Jahren die "Nummer gegen Kummer" des Kinder- und Jugendtelefons gewählt - vor allem von Mädchen. Mehr als 121 000 Gespräche wurden registriert (2000: 72 400), unter anderem knapp 20 000 in Trier und 11 000 in Wittlich. Vor allem Themen um Liebe und Partnerschaft bewegten die meist 12- bis 16-Jährigen. Auch die Beratung zu Problemen rund um Sucht und Gewalt nahmen zu. (Kinder- und Jugendtelefon: 0800-1110333; Elterntelefon: 0800-1110550; beides kostenfrei)

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