Hebgen in der doppelten Hölle

Ex-CDU-Landeschef Christoph Böhr und sein Ex-Manager Markus Hebgen überschütten sich mit gegenseitigen Vorwürfen: Hebgen, der auf CDU-Kosten offenbar die Rot-Licht-Szene genoss, wirft Böhr illegale Parteienfinanzierung vor. Für viele ist der Westerwälder heute ein Mann mit zwei Gesichtern. Eine Spurensuche.

Mainz. Mit der Kreditkarte der CDU-Landtagsfraktion hat sich Markus Hebgen als damaliger Vertrauter von Ex-Fraktionschef Christoph Böhr offenbar seit 2003 im Nachtleben vergnügt - ob in Berlin oder in der "Bar zur Hölle", die mit schönsten Mainzer Mädchen wirbt. Seit ersten Ungereimtheiten um die Fraktionskasse fragen sich Wegefährten, ob sie sich in ihm total getäuscht haben und er ein "perfekt getarntes Doppelleben" geführt hat.
Er gilt als vorsichtig und penibel



Verbunden ist mit Hebgens Vorwürfen zur illegalen Parteienfinanzierung auch die Frage, ob Böhr nach der teuren Affäre um die Broschüre "Nix Politik. Fußball!" klug geworden ist. Einige Abgeordnete sind sich sicher, dass Böhr danach "äußerst vorsichtig und penibel" habe sein wollen, aber Hebgen vielleicht zu sehr vertraut hat. Klarheit müssen dabei Landesrechnungshof und Staatsanwaltschaft aber noch schaffen. Das politische Umfeld sah Hebgen als seriösen und einflussreichen Adlatus von Böhr, der spätabends die Fraktion als Letzter verließ und morgens oft der Erste war - frisch und ohne Spur von Übermüdung. Als er Mitte 1993 von der Wirtschaftsförderung der Kreisverwaltung Westerwald nach Mainz kam, eilte ihm der Ruf voraus, dass er das Talent zum Bürgermeister oder gar Landrat habe. Mit Intelligenz und Organisationstalent "hat er sei Sach gut gemacht", wie ein Rheinhesse meint. Da Böhr ihm absolut vertraute, stieg er 2003 vom Büroleiter zum Geschäftsführer auf. Für den Denker Böhr war Hebgen der Mann fürs Praktische in der Fraktion, aber offenbar auch fürs Grobe. Damit erhielt er plötzlich Kassen-Vollmachten, die Prüfer "abenteuerlich" nennen und mit denen er sich angeblich so häufig auf CDU-Kosten ins Amüsement stürzen konnte, dass ein Ex-Vertrauter ihn heute für "sexsüchtig und schwer krank" hält.

Von Rotlicht-Eskapaden war der CDU früher nichts bekannt, wohl aber etliche Seitensprünge. Andere erlebten Hebgen als einen Mann, "der früher schon zwischen Schwermut und Übermut schwankte, weil er sich vielleicht viel zu jung große familiäre Verpflichtungen aufgebürdet hat". Ein früherer Kollege aus Montabaur erinnert sich weniger warmherzig an einen Karrieristen, der schon mit 25 dicke Zigarren rauchte und als Kreisvorsitzender großspurige Empfänge gab. Den Griff in die Kasse hätte ihm aber niemand zugetraut. Korrekte Finanzen werden ihm auch im Verein bescheinigt, in dem er für Margret Böhr ehrenamtlich Kassenwart war.
Immer neue Details verunsichern die Fraktion



Unterdessen schrecken offenbar immer neue Luftbuchungen die Fraktion auf - ob für Bars, ein Extra-Zimmer für eine flüchtige Frauenbekanntschaft bei einer Rom-Reise, eine möglicherweise fiktive Besuchergruppe oder 950 Euro für eine Fastnachtskorporation, die ihr Geld aber per Überweisung erhielt. Gut 11 500 Euro hat Hebgen inzwischen zurückgezahlt. Ob es auf den Ex-Manager zutrifft oder nicht: Fehlende Kontrolle kann einen Menschen verführen, dem es an innerer Stabilität fehlt, egal wie oft er wertkonservative Vorstellungen mit Verve hervorkehrt.

Frühere Mainzer Besucher erinnern sich, dass Hebgen zuweilen mit seltsamem Stolz seinen "Giftschrank" mit angeblich brisanten Dossiers zeigte. Mancher dachte sich beim Blick auf den Strippenzieher mit dem moralbetonten Habitus: Diese Methode könnte ihn doch selbst mit seinen enormen Unterhaltsverpflichtungen und (aktenkundigen) Begleiterscheinungen im Westerwald einholen. Denn die Trennung von seiner Frau endete so heftig, dass es ihm auch wohlmeinende Parteifreunde übel nahmen. Andere dürften sich heute fragen, was er über die eigene Truppe sammelte.

Andere "Verleumdungsversuche" streifte Ministerpräsident Kurt Beck in seinem Buch: "Mir sollten unbezahlte Rechnungen und sogar eine Tablettensucht nachgesagt werden. Man versuchte, meine Kontoverbindungen auszuspähen, und es wurden Gerüchte über meine Ehe in die Welt gesetzt." SPD-Kreise haben deshalb wenig Mitleid, wenn Hebgen jetzt durch eine weniger vergnügliche Hölle als in der Mainzer Bar gehen mag. Andere haben versucht, ihm aus der Klemme zu helfen. "Ich hätte doch mit Geld ausgeholfen", war immer zu hören, als er seinen Job als Geschäftsführer der Stiftung Kloster Eberbach verlor, weil er 31 340 Euro abgezweigt hatte und sich das Leben nehmen wollte. Ein Doppelleben schien noch undenkbar. Je länger die Ermittlungen dauern, desto genervter sind CDU-Abgeordnete. "Ich rede über eine wichtige Initiative für die Region. Aber fünf Minuten später wird nach Hebgen gefragt", sagt eine frustrierte Politikerin.

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