Heftiges Werben um die Gunst der Gelben

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Kaum ist die Bundestagswahl vorüber, loten die Parteistrategen schon ihre Chancen für die Landtagswahl 2011 aus. SPD und CDU entdecken dabei ihr Herz für die Liberalen.

 Lässt sich nicht in die Karten schauen: Herbert Mertin, Fraktionschef der heftig umworbenen Landes-FDP. TV-Foto: Archiv/W. Lenders

Lässt sich nicht in die Karten schauen: Herbert Mertin, Fraktionschef der heftig umworbenen Landes-FDP. TV-Foto: Archiv/W. Lenders

Mainz. Grandios verloren und doch gefasst: SPD-Generalsekretärin Heike Raab präsentiert sich am Montag vor der Landespressekonferenz sachlich und analytisch. Aus ihrer Betroffenheit nach den erdrutschartigen Verlusten der Sozialdemokraten, die 10,6 Prozent der Stimmen und drei Direktmandate eingebüßt haben, macht sie keinen Hehl. Raabs Devise lautet: "Nach vorne blicken und Lehren ziehen." Ihre Botschaft: "Der Bund ist kein Spiegelbild für das Land." Womit sie zweifellos recht hat, denn immerhin regiert die SPD in Rheinland-Pfalz mit absoluter Mehrheit - Asterix und die Gallier lassen grüßen, denn es ist das einzige SPD-dominierte Bundesland.

Das Erstarken der Linken im Land (9,4 Prozent) schreckt die SPD-Generälin angeblich nicht. "Links von uns ist hier kein Platz", sagt Raab und verweist auf das "intensive Verhältnis zur ur-sozialdemokratischen Klientel", etwa den Gewerkschaften. Der passende Partner für eine mögliche Koalition im Landtag ist schnell gefunden, man kennt sich schon: "Wir haben dieses Land immer gut auch sozial-liberal regiert und am Wahlabend gute Gespräche mit der FDP geführt", lässt Raab verlauten.

Die gelbe Braut - strahlender Wahlsieger mit 16,6 Prozent im Land und einem Abgeordneten mehr in Berlin - wird allerdings noch von anderer Seite heftig umworben. Selbstverständlich werde 2011 eine bürgerliche Mehrheit angestrebt, verkündet CDU-Generalsekretär Josef Rosenbauer und sieht dafür "realistische Chancen". Es gebe deutliche Übereinstimmungen in der Hochschul- und Bildungspolitik und das gleiche Ziel der Aufklärung im Untersuchungsausschuss zur Nürburgring-Affäre. Rosenbauer weiß jedoch auch: "Die CDU muss stärkste Fraktion im Landtag werden." Der Sieg der Union über die "Kurt-Beck-Partei" sei am Sonntag "sehr gut gelungen". Eigene Einbußen (minus 1,9 Prozent) könnten "uns nicht zufrieden machen", sagt der CDU-General und gibt als Ziel die 40-Prozent-Marke aus.

Der lächelnde Sieger hält sich alle Optionen offen

 Lässt sich nicht in die Karten schauen: Herbert Mertin, Fraktionschef der heftig umworbenen Landes-FDP. TV-Foto: Archiv/W. Lenders

Lässt sich nicht in die Karten schauen: Herbert Mertin, Fraktionschef der heftig umworbenen Landes-FDP. TV-Foto: Archiv/W. Lenders



Die Liebesbekundungen von links und rechts entlocken FDP-Fraktionschef Herbert Mertin ein zartes Lächeln. In die Karten schauen lässt sich der Jurist nicht. "Schwarz-Gelb im Bund ist nicht ohne Bedeutung, aber es lässt sich daraus nicht zwingend etwas für das Land ableiten." Erst seien das Programm und die Personallage zu klären, dann werde ein Parteitag über eine eventuelle Koalitionsaussage entscheiden. "Man kann nur Profil zeigen, indem man es wahrt", sagt Mertin. Gleichzeitig bekundet er Respekt vor dem Ministerpräsidenten. "Kämpfen kann Kurt Beck. Er wird nicht aufgeben."

Gut gekämpft und zugelegt haben zwei Parteien, die nicht im Landtag vertreten sind: die Grünen (9,7 Prozent, plus 2,4) und die Linken (9,4, plus 3,8). "Das ist ein trauriger Tag für Deutschland, aber ein sehr guter für die Grünen in Rheinland-Pfalz", kommentiert Landessprecher Daniel Köbler. Kollegin Eveline Lemke betont stolz, dass der Erfolg "aus eigener Kraft" geschafft wurde. Der "Beck-Nimbus" sei gefallen, sagt Köbler und folgert: "Das Land braucht starke Grüne."

Wird das Farbenspektrum im nächsten Mainzer Landtag bunter? Geht es nach den Linken, sind sie auf jeden Fall 2011 dabei. "Wir haben unser Ergebnis im Land fast verdoppelt und noch sehr viel mehr Potenzial, wenn wir uns erstmal etabliert haben", frohlockt die Landesvorsitzende Kathrin Senger-Schäfer. Gibt es genug Personal? "Auf jeden Fall!" Ihr Ausblick für 2011: "Je stärker die Linke, desto sozialer das Land."

Meinung

Die Arroganz abstreifen

Der größte Gegner der Sozialdemokraten im Hinblick auf die Landtagswahl 2011 sind sie selbst. Seit ihr der linke Flügel abhanden gekommen ist, stürzt die Partei ab. Noch redet man sich die Lage schön und hofft darauf, dass man im Land aus eigener Kraft stärkste Fraktion bleiben kann und die Linken an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern werden. Vieles deutet aber auf frommes Wunschdenken hin. Ministerpräsident Kurt Beck wird auch in Rheinland-Pfalz das Verhältnis zur Linken klären müssen. Die Jusos verlangen das bereits. Ohne Zweifel wird die SPD davon profitieren, dass Schwarz-Gelb im Bund angesichts der dramatischen Kassenlage unbequeme Entscheidungen treffen muss. Becks Parole "weiter so" wird dennoch nicht aufgehen, wenn seine Regierung ihre Arroganz nicht abstreift und ihre Hausaufgaben nicht erledigt - der Nürburgring lässt grüßen. f.giarra@volksfreund.de

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