Heikle Mission in Moskau

Moskau/Washington · Eigentlich gilt US-Außenminister Rex Tillerson in Russland als guter Freund. Doch die Konfrontation in Syrien hat alles geändert. Was kann er im Kreml erreichen?

Moskau/Washington (dpa) Der Wechsel von der lieblichen Toskana ins raue Moskau dürfte für Rex Tillerson einer der größten Kontraste in seiner kurzen Karriere als Chefdiplomat der Vereinigten Staaten sein. Nach zweitägigen Beratungen mit den G7-Verbündeten im italienischen Lucca steht Tillerson heute in Russland vor einer heiklen Aufgabe. Es geht letztlich um die Frage, ob die USA einen neuen Kalten Krieg mit Wladimir Putins Russlands abwenden können - und zu welchem Preis.
"Russland will nicht die Ausein-andersetzung. Aber es befürchtet, dass wir sie beginnen könnten", sagte der US-Russland-Experte Stephen Cohen bei CNN. In US-Medien wird inzwischen neben der Möglichkeit eines neuen Kapitels für einen Frieden in Syrien offen über die Frage diskutiert, was wäre, wenn es zu einer direkten Konfrontation zwischen Washington und Moskau käme. Das Gute immerhin: Tillerson ist in Moskau gut bekannt. Der 65-Jährige hat als ExxonMobil-Chef einen der größten Öl-Deals mit Moskau eingefädelt und ist Träger des russischen Freundschaftsordens.
Die jüngste Eskalation in Syrien steht im Zentrum der Gespräche. Beide Seiten legten schon am Dienstag die Spur. Tillerson bekräftigte am Rande des G7-Außenministertreffens im italienischen Lucca seinen Standpunkt: Russland sei entweder unwillig oder unfähig gewesen, Syriens Präsident Baschar al-Assad von einem Giftgaseinsatz gegen sein eigenes Volk abzuhalten. Offensichtlich bewusst starker Tobak.
UN-Botschafterin Nikki Haley machte zudem deutlich: Assad muss weg! Ein für Russland, die Schutzmacht Assads, schwer zu beschreitender Weg - zumal Washington eine wirklich schlüssige Syrien-Strategie noch immer nicht vorlegen kann.

Putin sagte seinerseits, die US-Rhetorik erinnere ihn an den Beginn des Irak-Krieges im Jahr 2003. Damals hatten die USA auf der Basis von Geheimdienstinformationen dem irakischen Diktator Saddam Hussein unterstellt, er bunkere Massenvernichtungswaffen. Das erwies sich später als falsch - aber da war Saddam Hussein schon gestürzt.
Auch für Moskau steht die erste Visite eines Mitglieds der Trump-Führung fast völlig unter dem Eindruck des US-Angriffs auf Russlands Schützling Syrien. Präsident Putin, sein Sprecher Dmitri Peskow, das Außenministerium, alle offiziellen Stellen haben dies als Aggression gegen einen souveränen Staat verurteilt. Peskow ließ sogar offen, ob Putin überhaupt Zeit für Tillerson haben werde, obwohl US-Außenminister üblicherweise ihren Termin im Kreml bekommen. Die erhoffte Freundschaft zwischen Trump und Putin sei gestorben, bevor sie begonnen habe, kommentierte der Vorsitzende im Außenausschuss des Föderationsrates, Konstantin Kossatschow. Doch unabhängige Experten sehen die Lage weniger eindeutig. Immerhin hätten die USA Russland vor dem Angriff gewarnt, Moskau habe seine Soldaten von dem Militärflugplatz abziehen und sogar die Syrer warnen können, schreibt die Zeitung Kommersant. Washington habe Moskau geholfen, das Gesicht zu wahren. Russland hielt seinerseits still und sprang dem Verbündeten Syrien bei dem US-Angriff nicht zur Seite.
Moskau steckt in einer Zwickmühle: Russland rühmt sich seiner Bündnistreue, aber wenn es zu seinem Schützling Assad steht, droht internationale Isolation als Freund eines möglichen Giftmörders. Putin werde es Assad kaum verzeihen, dass dieser ihn in eine solche Zwangslage gebracht habe, meint der Experte Wladimir Frolow. Große Erwartungen an den Tillerson-Besuch hegt in Moskau niemand. Es sei schon positiv, dass er überhaupt stattfinde, sagte Nabi Abdullajew von der Beratungsfirma Control Risks Group. "Wenn beide Seiten zusagen, die Diskussion fortzusetzen, auch auf Ebene der Präsidenten, dann ist das in der jetzigen Situation schon eine positive Entwicklung."

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