Heimat aus der Retorte

MAINZ. Die Geburt wurde schlicht verfügt: Am 30. August 1946 ordnete die französische Besatzungsmacht unter General Pierre Koenig die Gründung eines "rhein-pfälzischen Landes" an. So entstand ein Land aus der Retorte, das mit Volksentscheid und Landtagswahl am 18. Mai 1947 nach vielen Geburtswehen offiziell das Licht der Welt erblickte.

Kein Bundesland dieser Republik hat wohl derart heftige "Geburtswehen" erlebt wie Rheinland-Pfalz. Selbst Peter Altmeier, der 22 Jahre als Ministerpräsident die Geschicke des Landes entscheidend prägte, blickte bei der Verfassungsberatung eher skeptisch in die Zukunft. Er stand mit seiner Erkenntnis nicht allein, "dass dieses Land nicht aus dem Willen des Volkes entstanden ist, sondern ein Ergebnis der Zonen und Besatzungspolitik darstellt. Für uns hat das Land also durchaus keinen Ewigkeitswert." Mit der Verordnung Nr. 57 hatte General Koenig als Befehlshaber der französischen Besatzungszone am 30. August verfügt, ein Land zu schaffen, "welches die Pfalz und die gegenwärtigen Regierungsbezirke Trier, Koblenz, Mainz und Montabaur umfasst". Mainz wurde zur Hauptstadt bestimmt und die Bildung einer beratenden Landesversammlung angeordnet.Zuspruch im Norden beschaffte die Mehrheit

So sehr die Franzosen im eigenen Land auf einen starken Zentralismus pochten, so sehr waren sie beim stets beargwöhnten Nachbarn im Osten auf eine föderale Struktur bedacht, um einer Metropole möglichst wenig Macht zu geben. Zudem sahen sie sich durch die Bestrebungen der Amerikaner und Briten zur Bildung von Ländern in ihren Besatzungszonen in Zugzwang. Vor allem in den südlichen Teilen der linksrheinischen französischen Besatzungszone stieß das künstliche Gebilde Rheinland-Pfalz auf großen Widerstand. Bei den "Landespolitikern", die nach den Kommunalwahlen im Herbst 1946 in Koblenz über eine Verfassung berieten, wandten sich vor allem die Sozialdemokraten gegen die Schaffung eines selbstständigen Landes: Der preußische Norden fühlte sich der alten Rheinprovinz verbunden, das nassauische Land rund um Montabaur und das linksrheinische Rheinhessen tendierten zurück nach Hessen und in der Pfalz wollte man die Bande nach Bayern neu beleben oder die Kurpfalz wieder auferstehen lassen. Beim Volksentscheid am 18. Mai 1947 lehnten Rheinhessen und Pfälzer kurzerhand die Verfassung, die von der Beratenden Landesversammlung vorgelegt worden war, mit deutlicher Mehrheit ab. Lediglich der größere Zuspruch in den Regionen Trier und Koblenz sorgte für eine insgesamt knappe Zustimmung von 53 Prozent. Der Streit um die Zukunft des Landes, das für den Rheinhessen Carl Zuckmayer nur eine "sonderbare Wortmontage" war, ging auch über viele Jahre nach der Gründung des Provisoriums weiter.Die Ablehnung ist längst gewichen

Bei einem Volksbegehren 1956 gab es nur in den Regierungsbezirken des Nordens eine Mehrheit für einen Volksentscheid zur Aufteilung des Landes, nicht aber in der Pfalz. Als die Abstimmung nach geschicktem Taktieren und Verzögern schließlich 1975 im Norden zu Stande kam, sprachen sich mehr als zwei Drittel der nicht gerade zahlreichen Wähler für den Fortbestand des Landes aus. Die Rheinland-Pfälzer fühlten sich zwar immer noch vorrangig als Eifeler, Hunsrücker oder Westerwälder, doch sie hatten sich im Land der Reben und Rüben gefunden. Die Ablehnung des einstigen französischen Willküraktes ist lange gewichen. Allerdings ist auch nach 60 Jahren die Diskussion um Länderneugliederungen deutschlandweit nach wie vor aktuell. Für eine Fusion mit dem Saarland macht sich angesichts des erwarteten allgemeinen Bevölkerungsrückganges der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck stark, findet jedoch an der Saar kaum Gegenliebe. Jüngst plädierte sogar der hessische FDP-Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn für ein Zusammengehen der Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, um ein starkes Land in der Mitte Deutschlands zu bilden. Doch der in den vergangenen Jahren einzige konkrete Versuch, Ländergrenzen neu zu ziehen, scheiterte bei der beabsichtigten Fusion von Berlin und Brandenburg an der verweigerten Zustimmung im notwendigen Volksentscheid.

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