Hilferufe an den Chef

Ärger mit Behörden, keinen Ausbildungsplatz oder Verdruss über detailversessene Vorschriften? Weil Kurt Beck nach eigenem Motto stets "nah bei den Menschen" sein will, suchen immer mehr Bürger den kurzen Draht zum Mainzer Ministerpräsidenten. Mehr als 4000 setzten im vergangenen Jahr ihre Hoffnung auf den Regierungschef.

Mainz. "Sehr geehrter Herr Ministerpräsident", was nach dieser Anrede folgt, sind Geschichten nicht selten von Schicksalsschlägen, meist über persönliche Nöte oder vom Kampf mit Verwaltungen - von A wie Asylbegehren bis Z wie Zwangsvollstreckung. Heinz Mahlberg war vollkommen erstaunt, als ihm wenige Tage nach seinem Brief an den Landesvater ein Schreiben aus der Staatskanzlei ins Haus flatterte mit der Versicherung, dass man sich seines Anliegens annehmen werde. Über viele Monate hatten der Moselaner und sein Sohn versucht, trotz fehlenden Schulabschlusses des Sprösslings ein Praktikum oder einen anderen Einstieg in eine Ausbildung zu finden. Vergeblich. Letzte Hoffnung: Ein Schreiben an Beck.Ob per Brief, E-Mail oder Telefon, 4000-mal haben sich im vergangenen Jahr Menschen an den Ministerpräsidenten gewendet. "Jede Menge Hoffnung schwingt in diesen Briefen mit", weiß Hans-Jürgen Fries, Leiter des Bürgerbüros in der Staatskanzlei. Beck liest die Briefe selbst, bevor sie oft mit Anmerkungen oder Bitten um Rückmeldungen zum weiteren Verlauf der Eingabe bei Fries und seinen vier Mitarbeitern auf dem Tisch liegen. In vielen Fällen behält sich der Ministerpräsident selbst die Antwort vor. Viele Beschwerden wegen Hartz IV

Lang ist auch seine Warteliste für die Bürgersprechstunde im heimischen Steinfeld. In zwei Drittel der Hilfeersuchen wird eine einvernehmliche Lösung erzielt oder zumindest weitergeholfen, berichtet Fries. Viele einfache Angelegenheiten, in denen es nur um Informationen geht, sind oft am selben Tag nach Rücksprache mit Fachministerien oder Ämtern zu erledigen.Die Liste der Eingaben ist ein Seismograf für politische Problemlagen. Während in den letzten Jahren mit dem neuen Zuwanderungsgesetz die Hilferufe von Flüchtlingen zurückgingen, schossen die Beschwerdeschreiben in Sachen Hartz IV steil nach oben. Immer wieder wird um Unterstützung bei der Suche nach Job oder Lehrstelle nachgefragt. Nicht gerade in bester Erinnerung ist Fries dabei der Medien-Rummel um Enrico Frank. Der Schlagabtausch des Wiesbadener Arbeitslosen mit Beck ("Waschen und rasieren, dann wird es auch was mit einem Job") und das anschließende Hin und Her um Arbeitsangebote hielt das Bürgerbüro auf Trab.Nach diesem Fall gab es jede Menge Anfragen von Arbeitslosen. Die von Frank ausgeschlagenen Arbeitsangebote, die bei Beck von Unternehmen gemeldet wurden, konnten zwar weitergegeben werden, berichtet Fries. Ansonsten bleibt es aber bei Tipps für Jobs oder Weiterbildung. Dies gilt im Regelfall auch für jährlich bis zu 100 Anfragen für Lehrstellen. Zwei gezielte Ausbildungspatenschaften übernimmt Beck meist im Herbst bei den Nachvermittlungsaktionen der Arbeitsagentur. Auch bei der Hilfe für Mahlbergs Sohn konnte letztlich ein Schritt nach vorn gefunden werden. Nach einem Briefwechsel scheint eine Einstiegsqualifizierung, die betriebliche Praxis vermittelt und möglicherweise in eine Lehrstelle führt, auf gutem Weg."Wir müssen allerdings auch klarstellen, was nicht geht", sagt Fries und verweist auf rechtliche Vorgaben oder fehlende Zuständigkeiten.

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