"Ich habe dich lieb, Mama"

TRIER. Weil sie ein zweieinhalbjähriges Mädchen grausam gequält und ermordet haben soll, muss sich seit gestern eine 31-jährige Frau aus Lissendorf (Kreis Daun) vor Gericht verantworten. Noch schweigt die gebürtige Kamerunerin zu den Vorwürfen.

Über ein Jahr lang haben sich die beiden ehemaligen besten Freundinnen nicht mehr gesehen. Am Dienstagmorgen sitzen sich die Kamerunerinnen im großen Sitzungssaal des Trierer Landgerichts schräg gegenüber und weinen bitterlich - die jüngere auf der Zeugen-, die 31-jährige Haoua H. auf der Anklagebank. Staatsanwalt Peter Fritzen wirft der zuletzt in Lissendorf lebenden Frau vor, Ende November vergangenen Jahres die kleine Salomé brutalst misshandelt zu haben. Einige Passagen aus der Anklageschrift lesen sich fast wie Anleitungen aus einem Folterhandbuch: Da ist die Rede von herausgerissenen Haaren, Stichen von einer Nagelschere, Biss-Spuren an Armen und Beinen, einem gebrochenen Oberarm und anderen schweren Verletzungen, die Haoua dem kleinen Mädchen zugefügt haben soll. Verletzungen, an deren Folgen das Kind schließlich starb, wie die Obduktion ergab. Verletzungen, für die die 31-jährige Kamerunerin verantwortlich sein soll, glauben jedenfalls die Ermittler. Staatsanwalt Peter Fritzen spricht von einer "gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung" der Frau, die er wegen Mordverdachts angeklagt hat und die ihm nun im Gerichtssaal direkt gegenüber sitzt. Wenige Meter entfernt sitzt Haouas ehemalige Freundin, die leibliche Mutter des getöteten Kindes, und erzählt, immer wieder von Weinkrämpfen unterbrochen: Wie sich die beiden Frauen im Januar 2005 in Kamerun das letzte Mal gesehen haben. Wie Haoua und ihr deutscher Ehemann ihr dann angeboten hätten, die damals anderthalbjährige Salomé mit nach Deutschland zu nehmen, bis sie selbst "einige Tage später" mit dem erwarteten Ausreise-Visum in der Tasche nachkommen würde. Doch der Plan ging nur teilweise auf. Zwar konnten Haoua und ihr Ehemann das Kind der Freundin dank einer gefälschten Geburtsurkunde mit nach Deutschland nehmen. Aber die angestrebte Nachreise der Mutter scheiterte gleich mehrfach. Visa-Anträge wurden abgelehnt, ein Schleuser, dem die Mutter 750 Euro anzahlte, machte sich mit dem Geld auf und davon.Trügerische Idylle

Was Salomés Mutter blieb, waren regelmäßige Telefonate mit der zwischenzeitlich in Lissendorf wohnenden Freundin und der eigenen Tochter. "Ich habe dich lieb, Mama", habe Salomé ihr noch wenige Tage vor ihrem Tod zum Abschied am Telefon gesagt, berichtet die Zeugin unter Tränen. Die 28-Jährige ist eigens für den Prozess aus Kamerun angereist - ausgestattet mit einem auf vier Wochen befristeten Visum der deutschen Botschaft. Es hat den Anschein, als könne sie immer noch nicht begreifen, dass ausgerechnet ihre beste Freundin, die sie auch vor Gericht noch als "Schwester" bezeichnet, ihr Kind getötet haben soll. "Ich hatte immer den Eindruck, dass alles in Ordnung ist", sagt sie. Und auf Fotos, die ihr Haoua schickte, habe sie ja gesehen, "dass es dem Kind gut geht". Eine Idylle, die offenbar trog. Bereits im Spätsommer letzten Jahres war Haouas Ehemann aus der gemeinsamen Wohnung in Lissendorf ausgezogen. Danach, das glaubt jedenfalls Staatsanwalt Peter Fritzen, begannen die Misshandlungen der kleinen Salomé. Aus welchem Grund Haoua das Kind getötet haben könnte, ist für alle Beteiligten noch ein Rätsel. Bislang schweigt die 31-Jährige beharrlich.

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