"Ich war nicht bei Bewusstsein"

TRIER. Mit einem Geständnis des Angeklagten hat vor dem Trierer Schwurgericht der Prozess gegen einen 22-jährigen Mann aus Köln begonnen. Der Obdachlose soll Anfang Februar in Gerolstein einen Zechkumpanen erstochen und beraubt haben.

"Ich weiß nicht mehr, was da in meinem Kopf vorgegangen ist." Guido H. will oder kann sich nicht mehr genau erinnern an die Geschehnisse in jener Nacht, als er einen Menschen in dessen Wohnung mit mehreren Messerstichen tötete. Voll war er - wie fast jeden Tag, randvoll, immerhin daran erinnert er sich noch. Und dass "der Schorsch", wie Guido sein Opfer Georg K. noch heute nennt, ihn plötzlich erst im Nacken gestreichelt, dann die Hose vor ihm runtergelassen und ihn zum Oralverkehr aufgefordert habe. "Dann ist es auch schon passiert.""Einfach zugestochen"

Was passierte, ist dem 22-Jährigen nur bruchstückhaft und auf beharrliches Nachfragen von Richterin Irmtrud Finkelgruen zu entlocken. Er habe zu seinem auf dem Tisch liegenden Klappmesser gegriffen, mit dem er sonst Obst schäle, sagt Guido, "und einfach zugestochen". Von unten in den Hals. "Schorsch" sei daraufhin ans Fenster getorkelt und habe mit seinem Ellenbogen die Scheibe eingeschlagen. Ob aus Angst oder Reflex, weiß Guido heute nicht mehr so genau, nur, dass er dann noch einmal zugestochen habe - diesmal in den Bauch seines Opfers. Der 54-jährige Georg K. fiel aufs Bett und verblutete. Guido ("Ich war so gesehen nicht bei Bewusstsein") packte "Schorschs" Videorekorder in eine weiße Stofftasche, stahl Handy, EC-Karte und einen goldenen Ring des Opfers und suchte das Weite. Im Vorraum einer Gerolsteiner Bank wartete er dann auf den Frühzug nach Köln. Höhe Dahlem verpasste ihm der Schaffner einen Strafzettel, weil er den 22-Jährigen ohne Ticket in der Ersten Klasse erwischte. In Köln angekommen, frühstückte Guido zunächst, bevor er sich in der Wohnung eines Bekannten schlafen legte. Am Abend setzte sich der Rastlose erneut in den Zug, fuhr erst schwarz nach Euskirchen, dann zurück nach Köln. Grenzschutzbeamte, die er nach einem vor Wochen verloren gegangenen Handy und Portemonnaie fragte und danach, ob irgend etwas gegen ihn vorliege, nahmen Guido H. schließlich im Hauptbahnhof fest. Im Rucksack trug er noch die Blut befleckte Kleidung mit sich herum und die EC-Karte seines Opfers.Flaschenweise Korn, literweise Bier

Guidos Talfahrt begann vor neun Jahren: Mit 13 fing der Sonderschüler an zu saufen, nahm Drogen, schwänzte die Schule. Mit jedem Jahr wurden die Drogen härter, die Dosis höher. Trotzdem hätte er beinahe noch eine Lehre als Maurer gepackt, wäre nicht 2002 erst sein Vater (Alkoholiker) und einen Monat später auch die Mutter (Verkehrsunfall) gestorben. Guido versumpfte völlig, trank täglich flaschenweise Korn und literweise Bier, schlief mal auf der Straße, mal bei Saufkumpanen. Ein kleines Stück geordnetes Leben fand der große und kräftige junge Mann nur beim Vater eines Freundes. Guido kümmerte sich um die beiden Uhus des schwer kranken Falkners, fütterte und dressierte die Tiere, fuhr mit ihnen sogar zu Fachmessen und führte sie dort vor. "Die Tiere haben mich fasziniert", sagt er. Selbst eine Zeitschrift berichtet einmal über den jungen Mann mit dem orangefarbenen Brilli im linken Nasenloch und die beiden Uhus. Guido zähmte die Greifvögel, und die Greifvögel zähmten - zumindest zeitweise - Guidos Drogensucht. "Ich konnte doch wegen der Vögel tagsüber keinen Alkohol trinken." Der Prozess wird am übernächsten Dienstag fortgesetzt.

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