Irgendwie über die Runden kommen

TRIER. Immer mehr Menschen brauchen die Hilfe von Betreuern, um ihr Leben zu meistern. Das hat mit der Bevölkerungsentwicklung zu tun, aber auch damit, dass es immer komplizierter wird, die Dinge des Alltags eigenhändig zu regeln.

Bis heute gilt das Betreuungsrecht aus dem Jahr 1992 als Jahrhundertreform. An die Stelle der Entmündigung und des Verlusts jeglicher Selbstständigkeit trat die Option, eine Betreuung in Anspruch zu nehmen, die sich an den Notwendigkeiten des Einzelfalls orientiert. Je nach den Möglichkeiten des Betreuten kann sie die Vermögenspflege, die Gesundheitsvorsorge und das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfassen - jeweils einzeln oder in verschiedenen Kombinationen. Eine ambitionierte, hoch gelobte Regelung, deren Kosten in den letzten Jahren freilich in die Höhe geschossen sind. Dabei fungiert nach wie vor in vielen Fällen ein enger Angehöriger als Betreuer. Eine Konstellation, die nicht nur aus Kostengründen vom Gesetzgeber erwünscht ist. So leisten die Betreuungsvereine, die viele Sozialverbände unterhalten, Hilfestellung und Beratung für Angehörige, die diese schwierige Aufgabe übernehmen wollen. Aber die Entwicklung der Gesellschaft führt immer häufiger dazu, dass keine Angehörigen mehr zur Verfügung stehen. Vor allem bei älteren Menschen lebt die Familie häufig nicht mehr vor Ort, auch der Anteil von Menschen, die gar keine Familie haben, wächst. In der Stadt Trier sind zwei Drittel der Betreuten Frauen, viele davon älter. Da bleibt oft nur der Weg zum Betreuer, wie auch dann, wenn der zu Betreuende kein Vertrauen zu den Familienmitgliedern hat. Auch bei psychisch Kranken oder Menschen, die jeden Halt verloren haben, werden Betreuer gebraucht. Dass die Zahlen ständig steigen, hängt auch damit zusammen, dass es immer komplizierter wird, mit staatlichen Regelungen aller Art ohne Hilfe zurecht zu kommen. "Die Gesetze werden immer unübersichtlicher, entsprechend steigt auch der Betreuungs-Bedarf", sagt Jürgen Etzel vom Diakonischen Werk in Trier. Allein die neuen Sozial- und Arbeitsmarktregelungen hätten "zu einem erheblichen Mehraufwand für die Betreuer" geführt, registriert Hannelore Wilmes vom Sozialdienst katholischer Männer. Konsequenz: "Wir sind nur noch Verwaltungsleute im Büro und haben weniger Zeit für die Betreuten." Dass nach der seit dem 1. Juli gültigen Pauschal-Abrechnung für die Betreuung mittelloser Menschen weniger abgerechnet werden darf als bei Vermögenden, kann Eva Engel vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Trier Saarburg deshalb nicht verstehen. Oft sei gerade bei sozial Schwächeren der Aufwand wesentlich größer. Aber Vermögende zahlen die Betreuung teilweise selbst - auch da hat der Geldbeutel die Gesetzesreform diktiert. Dennoch verurteilen die Sozialverbände in der Region nicht alle Elemente des neuen Betreuungsrechts. Unbürokratischere Abwicklungen, ein besserer Draht zu den Amtsgerichten, die für die Betreuungs-Entscheidung zuständig sind, dazu mehr Kompetenzen im Vorfeld: Es gebe auch positive Elemente, versichert Monika Petry vom Sozialdienst katholischer Frauen. Vor allem vertrauen die Betreuer auf die Versicherung des Gesetzgebers, mögliche Webfehler nach einer Erprobungsphase zu korrigieren. Konkretere Berücksichtigung des Einzelfalls, bessere Einstiegs-Vergütungen, wenn Hauptamtliche neue Fälle übernehmen, die vorher von Ehrenamtlichen betreut wurden: Die Wünsche sind nicht üppig. Zwei Jahre soll die Erprobungsphase dauern. Eine lange Zeit für die Betreuer, und keine leichte, bestätigt Eva Engel: "Bis dahin müssen wir eben irgendwie über die Runden kommen", sagt sie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort