Jedermann soll bargeldlos zahlen können

Die Wahlprogramme bergen kaum Überraschungen, denn auch dort, wo sie konkret werden, bewegen sie sich meist entlang der bekannten großen Linien. Doch haben alle Parteien auch einige ungewöhnliche Ideen parat, die wir in dieser Serie testen. Heute: das kostenlose Girokonto der Linken.

Berlin. Die Idee: Im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist ein Girokonto unerlässlich. Ohne Girokonto sind Probleme mit dem Arbeitgeber oder bei der Wohnungssuche programmiert. In beiden Fällen sinken die Chancen des Bewerbers auf null. In der Praxis kommt es aber vor, dass Betroffene etwa nach einer Scheidung oder erfolglosen Selbstständigkeit als Unternehmer auf hohen Schulden sitzen und die Bank das Konto entzieht. Damit droht ein Teufelskreis: Ohne Girokonto kein Arbeitsplatz, ohne Job kein regelmäßiges Einkommen und damit auch kein neues Konto. Bei der Einlösung von dann notwendigen Barschecks sind überdies satte Gebühren fällig. Die Linken fordern deshalb ein "kostenloses Girokonto für jede und jeden".

Der Haken: Nach Einschätzung der Kreditinstitute ist das Problem eher marginal. Sie verweisen auf ihre freiwillige Selbstverpflichtung, wonach zum Beispiel eine negative Schufa-Auskunft nicht ausreicht, um dem Betroffenen ein Konto zu verweigern. Klar ist, dass es in Deutschland rund zwei Millionen sogenannte Guthabenkonten gibt, die im Prinzip wie jedes Girokonto funktionieren, aber ohne EC-Karte und Überziehungsrahmen. Damit schützen sich die Banken vor möglichen Ausfallrisiken.

Über die Zahl der Bürger ohne Konto gibt es indes nur vage Schätzungen. Bundesregierung und Verbraucherschützer sprechen allerdings von einer mindestens sechsstelligen Größenordnung.

Die Bewertung: Bürger ohne Konto sind in Deutschland sicher kein Massenphänomen. Da aber mittlerweile praktisch alle wiederkehrenden Zahlungen wie Miete, Strom oder Telefon bargeldlos abgewickelt werden, gehört ein Girokonto zum individuellen Grundbedarf. In Frankreich und Belgien haben die Bürger einen gesetzlichen Anspruch darauf. Auch die Bundesregierung hatte im Vorjahr mit einem entsprechenden Vorgehen gedroht, falls die Banken ihre Kontenvergabe nicht weiter liberalisieren. Zwar gibt es unabhängige Schiedsstellen, bei denen sich Betroffene beschweren können. Aber deren Entscheidungen sind unverbindlich. In einem Gesetz ließe sich auch klar definieren, in welchen Fällen die Gewährung eines Kontos für die Bank unzumutbar ist. Die Idee sollte also aufgegriffen werden.

Ob das Konto dann kostenlos ist oder nicht, sollte freilich der Markt regeln und nicht die Linkspartei.

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