Kabinett auf Landpartie

BITBURG/SPANGDAHLEM. Drei bis vier Mal jährlich begibt sich das rheinland-pfälzische Kabinett auf Stippvisite in die Regionen des weiten Landes. In der Eifel traf der Ministerrat gestern beim Mittags-Empfang im „Simonbräu“ in Bitburg auf eine bemerkenswert heile Welt.

Das passiert Ministerpräsident Kurt Beck auch nicht alle Tage: Der gastgebende Landrat begrüßt ihn mit einem munteren Gedicht. Roger Graef erzählt von blühenden Eifel-Landschaften und prosperierender Wirtschaft, nicht ganz gleichförmig im Versmaß, aber durchaus respektabel reimend. So ähnlich muss es früher geklungen haben, wenn der Klassensprecher den allmächtigen Schulrat bei der Visite begrüßen durfte. Bürgermeister Joachim Streit, mit 50er-Jahre-Hornbrille über der magenta-leuchtenden Krawatte wie stets ein modischer Trendsetter, setzt sogar noch einen drauf. „Uns geht es gut und wir sind zufrieden“, ruft er strahlend aus, was dem gebeutelten Finanzminister Mittler ein leises „Unglaublich!“ entfahren lässt. Als dann noch Bitburger-Chef Axel Simon von betriebseigenen Sozialkassen berichtet, macht sich beim Landesvater ein leises Lächeln zwischen den stoppelkurzen Barthaaren breit: Wie schön, mal irgendwo zu sein, wo die Welt scheinbar rundum in Ordnung ist.

Das tut gut an einem langen Arbeitstag, der um halb zehn auf dem Flugplatz Spangdahlem begonnen hat. „Die Ausbau-Arbeiten laufen voll im Zeit- und Finanzplan“, sagt der Ministerpräsident, und die Kollegen von Agenturen und Radiosendern lassen die Griffel rotieren. Wenigstens ein Satz mit Nachrichtenwert, den sie zwischen Schinken vom Eifeler Hirsch und Kalbsrücken in Bitburger-Pils-Sauce zu Papier bringen können. Derweil freut sich der Regierungschef über die Information von Oberbrauer Simon, dass man bei der Berechnung des Braugerste-Ertrags neuerdings das Saarland bei Rheinland-Pfalz mitzähle. „Manche sind ihrer Zeit halt voraus“, sagt Beck, und alles kichert. Nur hinten im Eckchen, wo ein gemeines Protokoll die CDU-Granden Michael Billen und Peter Rauen Auge in Auge gegenüber gesetzt hat, hält sich das Amüsement in Grenzen. Die Begrüßung des neuen CDU-Bezirkschefs durch die Minister bewegt sich an der unteren Grenze des Höflichen, aber der Händedruck, den Staatskanzlei-Chef Stadelmaier dem frisch Gewählten verabreicht, ist nachgerade herzlich gegenüber den Shakehands zwischen Billen und seinem Amtsvorgänger.

Um so fröhlicher schwärmt Kurt Beck von der „begnadet schönen Landschaft“, die zu genießen ihm die Landpartie des Ministerrats ermöglicht hat. Fünf Minuten redet er, ohne viel zu sagen, und er ist schon fast fertig, als ihm der aufmerksame Neu-Innenminister Karl-Peter Bruch einen Zettel zuschiebt. „Host Nation Council!“ steht darauf, und dergestalt erinnert, hebt der Ministerpräsident zu einer Lobrede auf den Verein an, der sich in der Eifel um das gute Verhältnis zu den Amerikanern kümmert. Fast klingt es so, als habe George Bush persönlich beim Staatsbesuch in Mainz die Tätigkeit des Clubs gewürdigt. Das ist Balsam auf die Seele des Council-Vorsitzenden Michael Dietzsch, der sich in seiner unermüdlichen Arbeit von den Medien nicht immer hinreichend unterstützt fühlt. Am Morgen hat er der Ministerschar in Spangdahlem Buttons mit der deutschen Flagge und dem Sternenbanner geschenkt, und zumindest der männliche Teil des Kabinetts trägt den symbolträchtigen Anstecker wacker – dem weiblichen fehlt das dafür notwendige Knopfloch. Um kurz nach zwei bläst der Ministerpräsident zum Aufbruch. Schließlich muss die Regierung an diesem Nachmittag noch etliche Beschlüsse fassen, von Hochwasserschutz bis Rebflächenstillegung. Und irgendwann am Abend geht’s zurück aus der friedlichen Eifel in den Moloch Mainz.

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