Kammer verkauft Daten

TRIER. Die Trierer Industrie- und Handelskammer (IHK) vermarktet die Adressen ihrer Mitglieder und verdient damit Geld. Viele Kammermitglieder wissen jedoch nichts davon und sind sauer.

Ulli Bögershausen ist genervt. Kürzlich klingelt bei dem Musiker aus Brauneberg (Kreis Bernkastel-Wittlich) das Telefon, eine Firma namens "Private Care" und will ihn über Versicherungen informieren. Die freundliche Stimme am Telefon lockt ihn, dass das Unternehmen mit der Trierer Industrie- und Handelskammer (IHK) zusammenarbeite. Da wird Bögershausen, der als Inhaber eines Musikverlages automatisch IHK-Mitglied ist, hellhörig. Adressen-Weitergabe gesetzlich geregelt

Bei der Kammer teilt man ihm per E-Mail mit, "dass zu unserem Service der Verkauf von Adressmaterial" gehört. "Stimmt", sagt IHK-Geschäftsführer Günther Kiefer auf Anfrage unserer Zeitung. Die Weitergabe von Adressen sei im IHK-Gesetz geregelt: "Ist also alles ganz legal." Danach dürfen alle Industrie- und Handelskammern "Name, Firma, Anschrift und Wirtschaftszweig" ihrer Mitglieder "zur Förderung von Geschäftsabschlüssen und zu anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Zwecken an nicht öffentliche Stellen vermitteln". Auch weitergehende Informationen über das Unternehmen wie zum Beispiel die angebotenen Waren oder die Betriebsgrößenklasse darf die IHK weitergeben, falls das betreffende Mitglied dem nicht widersprochen hat. Denn laut Kiefer erhält jedes neue Mitglied (man kann sich die Mitgliedschaft in der IHK genauso wenig wie in der Handwerkskammer aussuchen - wer ein Gewerbe betreibt, muss automatisch Mitgliedsbeiträge zahlen) ein Begrüßungsschreiben mit einem Rückantwortfax. Darauf könne jedes IHK-Mitglied ankreuzen, dass es mit der Weitergabe "weiterer" Daten nicht einverstanden ist. Laut Kiefer werden die Neumitglieder jedoch ausdrücklich darüber informiert, dass sie der Weitergabe von Namen, Anschrift und Wirtschaftszweig nicht widersprechen können. Ulli Bögershausen ist das neu: "Ich habe jedenfalls nicht gewusst, dass die meinen Namen und meine Adresse verkaufen." In der Tat bietet die IHK auf ihrer Homepage die Möglichkeit, bundesweit Adressen von IHK-Mitgliedern zu bestellen - bis zu hundert Adressen kosten für Mitglieder 15 Euro, Nichtmitglieder bezahlen das Doppelte, je weitere Adresse sind zehn beziehungsweise zwanzig Cent fällig. "Wir verkaufen Adressen nur an gewerblich Tätige zur Anbahnung von Geschäftskontakten", versichert Kiefer. Rund 2500 Euro im Jahr verdient die IHK mit dem Adressverkauf. Professionelle Adressvermarkter verlangen für so genannte qualifizierte Daten mit Infos über Beruf und Familie bis zu 2,50 Euro pro Adresse. Kunden sind meist Unternehmen, die mit den Adressen gezielt Neukunden ansprechen wollen. Dass die gekauften Daten missbraucht werden, etwa durch unseriöse Anbieter, könne man nie ganz ausschließen, sagt IHK-Geschäftsführer Kiefer. Man sichere sich aber ab, indem die Adressbesteller schriftlich bestätigen müssten, die Adressen nicht weiter zu geben. Auch dürften sich bei ihren Geschäftskontakten keinesfalls auf die IHK beziehen. Adresshandel ist legal. Das Bundesdatenschutzgesetz lässt ihn weitgehend zu. Sogar ohne Einwilligung dürfen Daten zu Werbezwecken weitergegeben werden."Schwarzsehern" mit Adressen auf der Spur

So verkaufen etliche Versandhäuser die Adressen und Daten. Es gibt zahlreiche Firmen, die mit Adresshandel Geld verdienen. Oft kommen sie über Gewinnspiele an die Adressen ran. Für heftige Diskussionen in Deutschland sorgt derzeit, dass die Landesrundfunktanstalten und die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) von privaten Anbietern Adressen gekauft haben und mit denen der Rundfunkgebühren-Zahler abgleichen. Man hofft sich so schneller "Schwarzsehern" auf die Spur zu kommen. Bögershausens Adresse wurde nun bei der IHK gesperrt, damit niemand ihm wieder am Telefon eine Versicherung verkaufen kann.

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