Kampagnen-Auftakt

Unverhofft kommt oft: Hatte schon so mancher Wahlkampfbeobachter in Mainz damit gerechnet, dass dieses Mal das Buhlen um des Wählers Gunst zu einem eher trauten Wettstreit um den Titel der familien- und kinderfreundlichsten Partei im Land wird, sah er sich in den letzten Tagen eines Besseren belehrt.

Große Koalition und Vertrauensschwüre in Berlin hin oder her, der Kampf um die Macht in Mainz fordert Tribut, der Umgang wird rauer, die Töne werden schriller. d Die FDP wolle weg von der "behäbigen SPD" und werde überlaufen, verkündet ein mutiger CDU-Spitzenkandidat Christoph Böhr. Die Union habe offensichtlich schon jeden Realitätssinn verloren, kontern die Genossen - und die Liberalen grinsten sich eins als heftig umworbene Braut. Fast schon normal, dass sich alle Seiten gegenseitig vorwerfen, mit absolut unseriösen Finanzierungsrechnungen unhaltbare Wahlversprechen unter das Volk zu bringen. Die Presseabteilungen geraten ins Schwitzen, um dem "Mitbewerber" möglichst täglich Streitthemen wie gescheiterte Diätenreform, Rente mit 67 oder innere Sicherheit um die Ohren zu schlagen. d Erster Höhepunkt des Wahlkampfs wurde jetzt die Breitseite der Union gegen das gar nicht neue Rückkehrprogramm der Landesregierung für abgelehnte Asylbewerber. Sie wetterte über die angeblich mit teuren Lockangeboten "versüßten Ausreisen", die sie als "schreiende Ungerechtigkeiten gegenüber Hartz-IV-Empfängern" empfindet. "Unerträgliche Stimmungsmache gegen Ausländer", mit der "am rechten Rand gefischt" werden soll, keilte SPD-Generalsekretär Roger Lewentz kräftig zurück. Daraufhin ernannte ihn sein CDU-Kontrahent Claudius Schlumberger zum "hauptamtlichen Brunnenvergifter". d Spätestens mit diesen Wortgefechten dürfte auch den politisch weniger Interessierten klar sein, dass Wahlkampf ist. Der Auftakt lässt noch einige Schlachten erwarten. Dabei sollte doch erst nach Fastnacht die weniger lustige, aber gleichwohl lebhafte Kampagne gestartet werden. Egal: Der Wähler wird's ertragen müssen.

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