Kein weißer Fleck

TRIER. (red) Weitgehend unbekannte Kapitel der Trierer Nazi-Geschichte schlugen die Autoren des "Statt-Führers" während einer Buchvorstelung in der Tuchfabrik auf. Etwa 80 Zuhörer verfolgten die Kurzvorträge.

Nachdem Roland Dahm das einleitende Kapitel des Werks - einen Stadtrundgang zu Stätten der NS-Zeit - präsentiert hatte, widmete sich Thomas Zuche dem Thema "Rassenhygiene" in Trier. Im Vordergrund stand das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses", das die Grundlage für Zwangssterilisationen bot. Als "Erbkrankheiten" galten neben Schizophrenie und Epilepsie auch erbliche Blindheit und Taubheit.Der Weg zur Zwangssterilisation führte über einen Antrag beim Kreisarzt Trier-Stadt in der Bollwerkstraße zu einem Verfahren vor dem "Erbgesundheitsgericht" am Justizplatz und endete meist mit der "Unfruchtbarmachung" im Evangelischen Elisabeth-Krankenhaus in der Engelstraße. Zwischen 1934 und 1944 beschloss das "Erbgesundheitsgericht" Trier in 2220 Fällen die Sterilisation. Offenen Widerstand gegen das Gesetz gab es kaum, da Randgruppen betroffen waren, für die sich die übrige Bevölkerung kaum interessierte. Nur die katholische Kirche lehnte Gesetz und Praxis ab.

Im zweiten Teil des Abends standen Lebenswege von Tätern im Vordergrund. Claudia Bruns las aus dem Porträt von Hans Globke, dem späteren Staatssekretär und Leiter des Kanzleramts unter Adenauer. Globke hatte 1936 einen Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen mitverfasst und war 1949 von der Trierer CDU als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters nominiert worden. Die Kandidatur scheiterte am Widerstand der SPD.

Thomas Schnitzler erinnerte an Klaus Barbie, den "Schlächter von Lyon", der "Zögling" des Bischöflichen Konvikts und Schüler am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium war. Völlig unbekannt war in Trier Wolfgang Reinholz, den Christoph Zuche porträtierte. Reinholz war Referatsleiter im Reichssicher-heitshauptamt. Nach dem Krieg ließ er sich in Trier nieder, fand eine Anstellung beim Lastenausgleichsamt, wechselte in die Landesjustizverwaltung und beendete seine Karriere als Vorsitzender Richter der Trierer Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz.

Einen Täter, der bereute, stellte Thomas Zuche am Schluss des Abends vor: Paul Wipper, ehemals NSDAP-Kreisleiter für den Bereich Trier-Land-West. Anhand von Fotos zeichnete Zuche das Bild eines Mannes, der als glühender Nationalist und Sozialist in der "Hitlerbewegung" aufstieg. Nach Krieg und Inhaftierung kehrte Wipper nach Trier zurück. Er schäme sich der NS-Verbrechen, schrieb er 1948 in seinem Tagebuch. Als die Bundesrepublik wiederbewaffnet wurde, engagierte sich Wipper politisch gegen Aufrüstung und Verharmlosung der Nazi-Diktatur.

Die dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage des "Statt-Führer - Trier in der NS-Zeit" ist im Paulinus-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich.

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