Kirche droht Pfarrer mit Rauswurf

TRIER. Ein Pfarrer aus der Eifel wirft sein "Beichtbuch" weg – diese TV-Meldung sorgte am Dienstag für Aufregung. Sogar das Trierer Generalvikariat sah sich zu einer Stellungnahme gezwungen: "Es gibt kein Beichtbuch", sagt Monsignore Stephan Wahl, der Kommunikationschef des Bischofs. Indirekt droht Wahl dem Eifeler Pfarrer jetzt sogar mit Exkommunikation.

 Der wegen eines vernichteten Buchs in die Kritik geratene Pfarrer Hubert Colling (rechts) zeigt im Mai 2005 Ministerpräsident Kurt Beck die Waxweiler Pfarrkirche.Foto: TV-Archiv/Manfred Reuter

Der wegen eines vernichteten Buchs in die Kritik geratene Pfarrer Hubert Colling (rechts) zeigt im Mai 2005 Ministerpräsident Kurt Beck die Waxweiler Pfarrkirche.Foto: TV-Archiv/Manfred Reuter

Hubert Colling ist ein emsiger Mann. Wer sich auf der Internetseite seiner Heimatgemeinde Waxweiler (Kreis Bitburg-Prüm) die Vita des katholischen Pfarrers anschaut, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was Colling seit seiner Priesterweihe im Juli 1980 nach eigenen Angaben alles geleistet hat, kann sich sehen lassen, dürfte unter seinen Amtsbrüdern fast beispiellos sein: Unzählige Pfarrfeste, Renovierungen kirchlicher Bauten, Spendensammlungen, Pilgerreisen, Besinnungstage, Fernseh- und Rundfunkauftritte und, und, und sind unter der Rubrik "Hubert Colling - 25 Jahre Priester - Ein bewegtes Leben" aufgelistet. "Viel meditiert" und "lange gebetet"

Hubert Colling hatte eine Privataudienz beim alten Papst, erst kürzlich eine Generalaudienz bei dessen Nachfolger, ist Ehrendomherr einer Gemeinde in Brasilien und brasilianischer Ehrendomkapitular, Titulardechant und nebenbei auch noch zuständig für die deutschsprachigen Katholiken in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wie gesagt, ein überaus engagierter Gottesmann, der 56 Jahre alte gebürtige Saarländer. Dass Collings Name unlängst ausgerechnet im Zusammenhang mit einem derzeit vor dem Trierer Landgericht stattfindenden Prozess auftauchte, sorgte da schon für Verwunderung. Der Geistliche hatte sich in der Berufungsverhandlung gegen einen wegen sexueller Nötigung angeklagten Arzt als Entlastungszeuge angeboten. Der Doktor könne die ihm zur Last gelegte unsittliche Berührung einer Patientin gar nicht begangen haben, weil der Arzt am wahrscheinlichen Tattag, einem Samstag im Oktober 2002, mit seiner Ehefrau bei ihm zu Gast gewesen sei, sagte Hubert Colling vor Gericht. Den Beleg für seine Aussage, einen Eintrag in seinem "Beichtbuch", wollte der Pfarrer am Montag eigentlich im Gerichtssaal präsentieren. Das hatte der 56-Jährige in der Verhandlung zuvor versprochen. Da allerdings war noch nicht von einem Beichtbuch die Rede, sondern von einem Gästebuch. Wie dem auch sei: Das Beicht-, Gäste- oder Tagebuch hatte der erneut als Zeuge gehörte Eifeler Gottesmann jedenfalls am Montag nicht dabei. Er habe das Buch nach der letzten Verhandlung während einer Reise an die Nordsee vernichtet - "zerschnitten und dem Meer übergeben", sagte Colling wörtlich vor Gericht. Zuvor habe er noch "viel meditiert" und "lange gebetet". Ein mögliches Beweismittel auf dem Meeresgrund, das verschlug am Montag selbst dem erfahrenen Trierer Richter Peter Egnolff fast die Sprache. "Sie haben doch versprochen, dass Sie das Buch mitbringen. Und wir haben zugesagt, das Beichtgeheimnis unbedingt zu achten", sagte er dem vor ihm sitzenden Pfarrer. "Ich habe es mir halt anders überlegt", konterte dieser unter Verweis auf das angeblich gefährdete Beichtgeheimnis. Was aber stand denn nun in dem so geheimnisumwitterten Buch des Pfarrers? Am vorletzten Prozesstag schilderte es Colling als eine Art Gäste- und Tagebuch, in dem auch Sachen stünden, die unter das Beichtgeheimnis fielen. Deshalb sicherte ihm das Gericht ausdrücklich zu, das Beichtgeheimnis auf jeden Fall zu achten und sich nur für den Termineintrag des Arztehepaars zu interessieren. Am Montag sprach Hubert Colling zur Überraschung der meisten Prozessbeobachter plötzlich immer nur von einem "Beichtbuch". Ein solches Buch zu führen, sei ihm bei früheren Exerzitien empfohlen worden.Beichtbuch oder Gästebuch?

Von derartigen Empfehlungen scheint im Trierer Generalvikariat allerdings nichts bekannt zu sein. Ganz im Gegenteil. "Es gibt kein Beichtbuch. Und Priester führen auch keine Bücher über die Beichte", sagt der Bischöfliche Kommunikationschef Stephan Wahl. Nach Angaben Wahls, bekannt auch als "Wort-zum-Sonntag"-Fernsehpfarrer, darf ein Priester über den Inhalt der Beichte unter keinen Umständen etwas festhalten oder verlauten lassen. Indirekt droht Wahl dem Waxweiler Pfarrer unter Verweis auf Canon 1388 des Kirchlichen Gesetzbuchs sogar mit ernsten Konsequenzen. Demnach zieht sich "ein Beichtvater, der das Beichtgeheimnis direkt verletzt, die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu". Zunächst allerdings wolle das Bistum "den Sachstand überprüfen". Heißt im Klartext: Hubert Colling wird in Kürze zum Rapport ins Generalvikariat bestellt werden. "Alles andere als eine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit", wissen Insider von solchen Gesprächen "beim GV" (Generalvikar Georg Holkenbrink) oder dem bischöflichen Personalchef Rainer Scherschel zu berichten. Nicht besonders gut ist derzeit allerdings auch die irdische Gewalt auf den Waxweiler Pfarrer Colling zu sprechen. "Das man dem Wort eines Pfarrers nicht mehr vertrauen kann, ist schon ein einmaliger Vorgang", meinte am Dienstag der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Roos auf TV-Anfrage. Auf das Gerede vom Beichtbuch gibt der Trierer Chefankläger nicht viel: "Wir suchen kein Beichtbuch, sondern ein Gästebuch. Und das kann man beschlagnahmen." Mit einer Durchsuchung der Waxweiler Pfarrerswohnung hatte bereits am Montag auch Staatsanwältin Daniela Schnur gedroht. Hubert Colling nahm's gelassen. "Dann sollen sie halt kommen", sagte er nach der Verhandlung in Trier unserer Zeitung.

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