Kleine Delle, große Folgen

BITBURG. Der Prozess gegen einen wegen Missbrauchs angeklagten Kommunalpolitiker aus dem Raum Bad Kreuznach wird vermutlich erst Anfang Oktober fortgesetzt. Kuriosum: Trotz zweier zurückliegender Verhandlungstage beginnt der Prozess noch einmal ganz von vorne.

"Es ist bedauerlich, aber unausweichlich." Bitburgs Amtsgerichtsdirektor Werner von Schichau ist nicht so recht froh mit seiner eigenen Entscheidung. Am Dienstag hatte der Richter im Prozess gegen den wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten FWG-Politiker Franz Georg Enders einem Antrag der Verteidigung zugestimmt. Jetzt soll ein psychologisches Gutachten klären, ob die Aussagen des mutmaßlichen Opfers glaubwürdig sind ( TV vom 21. Juli). Enders soll vor drei Jahren in der Eifel seine damals elfjährige Enkelin im Intimbereich berührt haben. Der FWG-Kommunalpolitiker bestreitet die Tat, sieht sich als Opfer einer Rachekampag-ne seines Noch-Schwiegersohns.Zeugen droht übles Nachspiel

Nach den ersten beiden Prozesstagen vor dem Bitburger Jugendschöffengericht sieht es allerdings für den 69-Jährigen nicht gerade gut aus: Mehrere Zeugen, denen die heute 15-Jährige den Vorfall geschildert hat, halten das Mädchen für glaubwürdig. Ähnlich sieht es auch das dreiköpfige Gericht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, "dass das Kind die Geschichte erfunden hat", sagte Richter Werner von Schichau am Ende des letzten Prozesstags. Dennoch bleibe ein Rest Zweifel, "eine kleine Delle", wie es von Schichau formulierte. Die Delle stammt von einem 18-jährigen Schüler. Er sagte aus, vor zwei Jahren mit dem Mädchen geschlafen zu haben. Stimmt die Behauptung, stünde sie im Widerspruch zur (nicht öffentlich gemachten) Aussage der 15-Jährigen, sie habe nach dem Vorfall unter Berührungsängsten gelitten. Sie bestreitet, je ein intimes Verhältnis mit dem Schüler gehabt zu haben. Für den 18-jährigen Zeugen könnte sein Auftritt vor Gericht ein übles Nachspiel haben: Weil Staatsanwalt Stephane Parent flugs ausgerechnet hatte, dass das Mädel bei dem angeblichen Schäferstündchen noch keine 14 Jahre alt war, droht dem Schüler ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern. "Mindest-Freiheitsstrafe ein Jahr", meinte Richter von Schichau in Richtung des verdutzt drein schauenden Jugendlichen. Und an den Enders-Anwalt Anton Jakobs gewandt: "Das war Ihr Zeuge." Trotzdem war es schließlich die Aussage des (sich selbst belastenden) Zeugen, die das Gericht dazu bewog, dem von Jakobs beantragten Glaubwürdigkeits-Gutachten zuzustimmen. Eine Entscheidung, die es in sich hat: Weil laut Strafprozess-Ordnung ein laufendes Verfahren nicht länger als zehn Tage unterbrochen werden darf (siehe Stichwort), das Gutachten aber erst im August erstellt wird, muss der komplette Prozess noch einmal von vorne beginnen. "Das tut mir wirklich weh und ist ein Irrsinn", meint von Schichau. Der Bitburger Amtsgerichtsdirektor rechnet damit, dass es bis zur Neuauflage "Ende September, Anfang Oktober" wird. Dann werde man aber wohl mit einem Verhandlungstag hinkommen. Bis das letzte Wort in Sachen Franz Georg Enders gesprochen wird, dürfte es allerdings noch etwas dauern. Sollte der Bad Kreuznacher Kommunalpolitiker tatsächlich verurteilt werden, wird der 69-Jährige nach Aussage seines Anwalts Anton Jakobs "auf jeden Fall in Berufung gehen".

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