Konservative fallen Bush in den Rücken

Denver/New York. "Bush hat gelogen" und "Im Leichensack kannst Du keine Uni besuchen". Die Plakate der Demonstranten vor der Halle in Greeley (US-Bundesstaat Colorado) lassen keine Zweifel an ihrer Kritik am Irak-Krieg. Doch im Saal verteidigt US-Präsident George W. Bush drei Tage vor den Kongresswahlen wie immer vehement die Invasions-Entscheidung.

Der Präsident wartet mit bekannten Thesen auf: Irak sei die "zentrale Front" im Kampf gegen den Terror, und man werde diesen Krieg gewinnen. Nahezu zeitgleich veröffentlicht jedoch das "Vanity Fair"-Magazin Vorabmeldungen aus seiner jüngsten Ausgabe, die einem politischen Tiefschlag gleichkommen. Denn gleich drei prominente amerikanische Konservative, die zunächst die Kriegsentscheidung Bushs massiv unterstützt hatten, zeigen in Interviews mit der Illustrierten mittlerweile Reue - und werfen Bush sowie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der immer mehr unter Druck gerät, Inkompetenz und Versagen vor. Der Prominenteste im Trio ist zweifelsohne Richard Perle, früher einer der wichtigsten und einflussreichsten Berater im Pentagon und Chef des "Beirats für Verteidigungspolitik" . Perle, der einmal den Irak als "guten Kandidaten für eine Demokratie" bezeichnet hatte und auch an einem Grundsatzpapier zur politischen Neuordnung des Nahen Ostens maßgeblich beteiligt war, würde aus heutiger Sicht nicht mehr den Einmarsch in den Irak empfehlen. Man hätte vermutlich - so argumentiert der konservative Vordenker mittlerweile - die von Saddam Hussein ausgehende Bedrohung auch durch "andere Strategien" in den Griff bekommen können. Perle glaubt zwar weiterhin, dass der gestern zum Tod durch den Strang verurteilte Ex-Dikator die Möglichkeiten hatte, Massen-Vernichtungswaffen zu produzieren. Auch habe die Gefahr bestanden, dass diese Waffen dann in die Hände von Terroristen hätten geraten können. Doch während des Krieges seien Entscheidungen entweder falsch oder gar nicht getroffen worden, und dafür sei letztendlich allein der Präsident verantwortlich."Regierung macht massive Fehler"

Ähnlich äußert sich in "Vanity Fair" auch Kenneth Adelman, der in der Reagan-Ära vor allem als Abrüstungs-Unterhändler tätig war und später ebenfalls die Bush-Regierung beriet. Adelman hatte die Umwandlung des Iraks in eine Demokratie vor Kriegsbeginn als "Kinderspiel" bezeichnet und sieht auch heute noch "vernünftige Gründe" für die Invasion. Bei deren Ausführung seien jedoch "massive Fehler" gemacht worden. Adelmans Fazit ist die wohl schärfste Kritik eines Konservativen an der Regierung: Die Mannschaft des Texaners habe sich als "eines der unfähigsten Teams seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs" erwiesen. Extrem kritisch meldet sich schließlich auch David Frum, der frühere Redenschreiber Bushs und Erfinder der "Achse des Bösen"-Phrase, zu Wort. Er macht ein "Versagen im Zentrum" - sprich in der Regierungsspitze - für die derzeitigen schweren Unruhen im Irak verantwortlich. Und, so Frum: Bush habe den Inhalt seiner Reden weder geglaubt noch verstanden. Doch diese Wortmeldungen waren am Sonntag noch nicht das Ende der Hiobsbotschaften für den Präsidenten: Gleich vier US-Militärzeitungen, die heute an hunderttausende Soldaten verteilt werden, fordern in Leitartikeln den Rücktritt von Verteidigungsminister Rumsfeld. Bush hatte Rumsfeld jedoch in der vergangenen Woche ausdrücklich Rückendeckung gegeben und angekündigt, der umstrittene Pentagon-Chef werde - wie auch Vizepräsident Dick Cheney - bis Ende 2008 im Amt bleiben.

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