Kranke Lehrer fallen durchs Rost

TRIER/BITBURG/WITTLICH. In einer Schulserie hat der Trierische Volksfreund weiter führende Schulen verglichen – unter anderem auch hinsichtlich der durchschnittlichen Unterrichtsversorgung. Doch die von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) herausgegebenen Zahlen entsprechen nicht dem tatsächlichen Stundenausfall. Das behauptet Tilman Boehlkau, Vorsitzender des Bezirksverbands Rheinland-Pfalz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

"Die Zahlen der durchschnittlichen strukturellen Unterrichtsversorgung der ADD sind nicht realistisch", sagt Tilman Boehlkau, Vorsitzender des Bezirksverbands Rheinland-Pfalz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Nach Meinung von Boehlkau haben diese Zahlen lediglich eine statistische Aussagekraft, die wenig mit dem tatsächlichen Stundenausfall an den Schulen zu tun habe. "Die Zahlen der ADD geben lediglich den strukturellen Stundenausfall wieder. Der tatsächliche Stundenausfall wegen Krankheit oder Mutterschutz von Lehrern wird allerdings nicht berücksichtigt." Die Zahlen, auf denen der strukturelle Stundenausfall basiert, werden der ADD von den Schulen gemeldet. Die Schulaufsicht berechnet den strukturellen Stundenausfall und veröffentlich diese Zahlen. "Die Zahlen des strukturellen Versorgungsgrads dienen uns als Planungsgrundlage. Das sind prognostizierende Daten", sagt Miriam Lange von der Pressestelle der ADD in Trier. Der temporäre Versorgungsgrad an den Schulen, der den kurzfristigen Ausfall von Lehrern zum Beispiel wegen Krankheit berücksichtigt, ist laut Miriam Lange hingegen nur rückwirkend zu ermitteln. "Dieser Wert schwankt täglich. Da er auch nur rückwirkend gemessen werden kann, können wir mit diesem Wert nicht planen. Die Zahlen des temporären Unterrichtsausfalls sind aus unserer Sicht weniger aussagekräftig", sagt Miriam Lange. Die Zahlen des strukturellen Unterrichts-Versorgungsgrads vom vergangene Jahr ergaben einen durchschnittlichen Stundenausfall an den allgemein bildenden Schulen von 1,9 Prozent. Tilman Boehlkau geht allerdings von einem wesentlich höheren Stundenausfall aus: "An Hauptschulen, Gymnasien und Realschulen sind vier bis acht Prozent normal." Noch stärker seien allerdings die Berufsbildenden Schulen betroffen, an denen zehn bis 15 Prozent des Unterrichts ausfallen. Und in den ländlichen Randgebieten wie Westpfalz oder Nord-Eifel sei es immer schwer, Lehrer zu bekommen. Das habe eine Schnellerhebung seiner Gewerkschaft ergeben. Aber nicht nur die GEW hält die Zahlen, mit denen die ADD operiert, für unrealistisch. Auch Schwester Irmgard Carduck, Schulleiterin der privaten Blandine-Merten-Realschule in Trier, hält die Statistik für nicht aussagekräftig. Allerdings aus einem anderen Grund. "Bei unserer Schule ist der Stundenausfall niedriger als von der ADD berechnet. Das liegt daran, dass wir in den einzelnen Klassenstufen drei statt vier Klassen gebildet haben." Von den Schülerzahlen seien allerdings vier möglich, deshalb hat die ADD vier Klassen pro Stufe in ihre Berechnungen der Soll-Stundenzahl einbezogen. Die Klassenminderung kommt durch größere Klassengrößen zustande. "Wir haben pro Klasse manchmal 32 Schülerinnen, also zwei mehr als von der ADD zugelassen. Das geht bei uns, weil wir eine private Schule sind. So haben wir aber eine volle Stundenversorgung gewährleistet", sagt Schwester Irmgard. Auch für Marie-Charlotte Opper-Scholz, Geschäftsführerin des Landeselternbeirats Rheinland-Pfalz, ist die Statistik der ADD nicht handhabbar. "Die Zahlen der ADD sind nicht das, was Eltern interessiert", sagt Opper-Scholz. "Eltern wissen nicht, was der strukturelle Ausfall bedeutet. Was die Erziehungsberechtigten allerdings stört, ist der temporäre Ausfall, der kurzfristig wegen Krankheit zustande kommt." Für Marie-Charlotte Opper-Scholz ist deshalb die Statistik der ADD nicht sinnvoll. "Es ist unredlich, von Seiten der ADD so zu tun, als ob es das wäre. Ins Gewicht fällt vielmehr der Ausfall von kranken Lehrern." Um auf diesen schnell zu reagieren, gibt es seit kurzem das Projekt erweiterte Selbstständigkeit. Schulen, die daran teilnehmen, haben ein bestimmtes Budget zur Verfügung, um kurzfristig Lehrer mit befristeten Verträgen einzustellen. "Das ist eine sehr sinnvolle Sache", sagt Marie-Charlotte Opper-Scholz. "Momentan sind allerdings noch viel zu wenige Schulen daran beteiligt." In der Region beteiligen sich die Hauptschule Speicher, die Grund- und Hauptschule Neuerburg und die Regionale Schule Salmtal.

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