Krankenhausmitarbeiter demonstrieren in Trier für bessere Arbeitsbedingungen (Video)

Trier · Nachdem einige Mitarbeiter eines kirchlichen Krankenhauses im Saarland trotz Verbots gestreikt haben, demonstrieren sie in Trier. Bei dem Protest geht es um das Arbeitsrecht.

Krankenhausmitarbeiter demonstrieren in Trier für bessere Arbeitsbedingungen (Video)
Foto: Bernd Wientjes
Krankenhausmitarbeiter demonstrieren in Trier für bessere Arbeitsbedingungen (Video)
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Krankenhausmitarbeiter demonstrieren in Trier für bessere Arbeitsbedingungen (Video)
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Birgit Kugel schaut erwartungsvoll, vielleicht auch ein wenig nervös, aus einem Fenster im ersten Stock der Zentrale des Diözesancaritasverbandes, deren Direktorin sie ist. Vor dem Haus in der Trierer Sichelstraße hat sich ein überschaubarer Demonstrationszug von knapp 30 Männern und Frauen versammelt. Sie halten Transparente hoch ("Kann Gewerkschaft Sünde sein?") und skandieren Sprüche wie: "Nachts wird nicht allein' geschafft" oder "Wo ist die Pflege? Am Boden". Die Gewerkschaft Verdi hat den Protest der Pflegekräfte organisiert.

Es handelt sich um Mitarbeiter von kirchlichen Kliniken im Saarland. Die meisten sind im Krankenhaus in Ottweiler (Kreis Neunkirchen) beschäftigt. Die Klinik gehört zur kirchlichen Marienhaus GmbH, die auch Krankenhäuser in der Region betreibt, etwa in Hermeskeil, Bitburg und Gerolstein.

Das 120-Betten-Haus in Ottweiler hat kürzlich bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil Verdi die Pflegekräfte dort zum Streik aufgerufen hat für bessere Arbeitsbedingungen. Das kirchliche Arbeitsrecht verbietet aber eigentlich einen Streik. Dieser sogenannte Dritte Weg ist nicht unumstritten. Die Gewerkschaften haben immer wieder versucht, ihn mit Klagen zu Fall zu bringen.

2012 hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil bestätigt, dass Gewerkschaften bei kirchlichen Arbeitgebern nicht zu einem Streik aufrufen dürfen. Allerdings stellten die Richter auch fest, dass "die Beeinträchtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts durch einen Arbeitskampf" nicht ausnahmslos rechtswidrig sei. Der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell spricht von einer "Sonderwelt" der Beschäftigten an kirchlichen Krankenhäusern oder Kita. Es gebe keinen Grund, warum diese von elementaren Arbeitnehmerrechten abgeschnitten würden.

Es gehe bei der Aktion nicht in erster Linie darum, den Dritten Weg zu kippen, sagt Verdi-Sekretär Frank Hutmacher. Es gehe um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal, damit Mitarbeiter nicht ständig aus ihren freien Tagen gerufen werden müssten. Das, so Hutmacher, müsse vertraglich vereinbart werden. Doch wenn die Gewerkschaft einen eigenen Tarifvertrag für das Ottweiler Krankenhaus fordert, heißt das letztlich nichts anderes, als das kirchliche Arbeitsrecht auszuhebeln. Das sieht man auch beim Caritasverband so: "Verdi zeigt mit seinem Vorstoß in Ottweiler deutlich, worum es tatsächlich geht, nämlich das kirchliche Arbeitsrecht komplett abzuschaffen, um selbst in kirchlichen Einrichtungen aktiv zu werden und Mitglieder werben zu können", heißt es in einer Pressemitteilung, die vor der gestrigen Demonstration verschickt worden ist.

Eigentlich wollten die nach Trier gekommenen Pfleger an diesen Tag mit dem Bischof reden. Da dieser verhindert ist, nutzen sie das Angebot von Caritas-Chefin Kugel, sich ihre Anliegen anzuhören. Kugel ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz und im Saarland.

Fast 90 Minuten dauert das Gespräch mit den Gewerkschaftsvertretern, Pflegekräften hinter verschlossenen Türen. Am Ende sprechen alle Seiten von einem Erfolg. Es sei ein gutes Gespräch gewesen, sagt Hutmacher. Die Pflege müsse entlastet, die Arbeitsbedingungen besser werden, sagt Kugel. Um dieser Forderung von kirchlichen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Beschäftigten Nachdruck zu verleihen, sollen die regionalen Bundestagsabgeordneten angeschrieben werden.

DER DRITTE WEG: Bei den Kirchen gilt ein besonderes Arbeitsrecht. Es kennt keine Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern und es verbietet Streiks. Die Tarifverträge werden in einer in gleicher Zahl mit Vertretern der Arbeitgeber und der Beschäftigten besetzten Kommission ausgehandelt. Gewerkschaften haben ein lediglich ein Mitspracherecht. Dieses System wird der Dritte Weg genannt. Der Erste Weg ist die Beamtenbesoldung, die einseitig von den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst festgelegt wird. Der Zweite Weg bezeichnet die klassischen Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern.

Schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind in kirchlichen Einrichtungen beschäftigt. Auch in der Region Trier ist die katholische Kirche einer der größten Arbeitgeber. Bis auf das Krankenhaus in Saarburg, sind alle Kliniken in kirchlicher Trägerschaft. Allein die beiden Trierer Großkliniken Mutterhaus und Brüderkrankenhaus beschäftigen über 5000 Menschen. In katholischen Kita in der Region arbeiten über 3000 Erzieher.

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