Krankheit macht arm

MAINZ. Armut macht krank und Krankheit macht arm, wie wissenschaftliche Studien belegen. Die geplante Gesundheitsreform wird diese fatalen Zusammenhänge für sozial Benachteiligte noch erheblich verstärken, warnt der Arzt und Sozialarbeiter Professor Gerhard Trabert.

"Absolut sozial unverträglich", nennt Gerhard Trabert das, was bei den Verhandlungen von Regierung und Opposition über die Gesundheitsreform weitgehend absehbar ist. Leistungen wie Zahnersatz und Krankengeld werden gestrichen, Zuzahlungen bei Arzneimitteln und Eigenbeteiligungen bei Klinikaufenthalten oder Rehabilitation erhöht, wie der Mainzer Mediziner befürchtet. Gleich mehrfach betroffen seien sozial Schwache, die besonders unter den neuen finanziellen Belastungen zu leiden hätten, kritisiert der Leiter der Arbeitsgruppe "Armut und Gesundheit" der Nationalen Armutskonferenz Deutschlands. Er fragt sich: "Muss, wer arm ist, in Zukunft noch früher sterben?" Wenn der Professor an der Fachhochschule Nürnberg in seiner Freizeit in Mainz Wohnungslose medizinisch betreut und sich um Gesundheitsvorsorge in sozialen Brennpunkten kümmert, sieht er bestätigt, was wissenschaftliche Studien aussagen: In benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie Alleinerziehenden, Arbeitslosen, Wohnungslosen oder kinderreichen Familien führt bei Erwachsenen Krankheit zunehmend zu Armut. Bei Kindern bringt die Armut verstärkt Krankheit mit sich. Nach einer Untersuchung der Medizinischen Hochschule Hannover haben laut Trabert arme Menschen eine sieben Jahre kürzere Lebenserwartung als wohlhabende.Nicht nur Verteilung der Lasten bei der Gesundheitsreform ist laut Trabert ungerecht. Das Solidarprinzip werde aufgegeben, reklamiert er. Der Allgemeinmediziner lehnt eine weitere Privatisierung von Gesundheitsleistungen ab und fordert mehr Vorsorge, gerade auch durch Sprechstunden-Angebote in sozialen Brennpunkten.Armut und vor allem Kinderarmut muss nach seiner Überzeugung mit Härtefallklauseln Rechnung getragen werden. Insgesamt will er Gesundheitswesen und Sozialarbeit stärker vernetzten, um den Zusammenhängen von Armut und Gesundheit gerecht zu werden. Begrüßt wird vor allem die Eingliederung von Sozialhilfeempfängern in die gesetzliche Krankenkasse. Leistungskürzungen führen nur zu kurzfristigen Einsparungen, sagt Trabert voraus. Längerfristig würden erhöhte Erkrankungsquoten bei sozial benachteiligten Menschen zu höhere Ausgaben führen, ist er sicher.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort