Kredit und Bürgschaft rechtswidrig?

Nürburg/Mainz · Die schlechten Nachrichten rund um den Nürburgring reißen nicht ab: Jetzt stellt ein von der CDU beauftragtes Rechtsgutachten die Rechtmäßigkeit des Versuchs infrage, mit Landesmitteln die Verbindlichkeiten der insolventen Nürburgring GmbH ausgleichen zu wollen.

Nürburg/Mainz. Die Pleite am Nürburgring bringt die Landesregierung weiter in die Bredouille. Jetzt erhebt ein Rechtsgutachten der "RWP Rechtsanwälte GbR" in Düsseldorf nach Informationen der Rhein-Zeitung schwere Vorwürfe gegen die Versuche von Rot-Grün, Verbindlichkeiten der insolventen Nürburgring GmbH mit Landesmitteln auszugleichen. Besonders strittig sind die Aktivierung einer Haushaltsrücklage in der Höhe von 254 Millionen Euro sowie ein 330-Millionen-Kredit bei der landeseigenen Investitions- und Strukturbank (ISB) samt Landesbürgschaft in gleicher Höhe.
Ein Fall für den Staatsanwalt?


Der Autor des Gutachtens, der Verwaltungsrechtler Clemens Antweiler, warnt sogar ausdrücklich davor, auf die - ohnehin strittige - Rücklage zurückzugreifen. Bei Personen, "die an dieser Vermögensverfügung mitwirken", analysiert er, käme "eine Strafbarkeit wegen Untreue zulasten des Vermögens des Landes Rheinland-Pfalz oder wegen Beihilfe hierzu in Betracht". Mit anderen Worten: Eine Aktivierung der Rücklage könnte zum Fall für den Staatsanwalt werden.
Nach Lesart des Gutachtens, das im Auftrage der rheinland-pfälzischen CDU-Fraktion erstellt wurde, handelt es sich nicht nur bei dem ISB-Darlehen, sondern auch bei der Landesgarantie zur Absicherung desselben um eine staatliche Beihilfe. Dabei wird vorausgesetzt, dass die EU-Kommission ihren umfangreichen Verdacht erhärtet. Im Eröffnungsbeschluss der Kommission, in dem rund 486 Millionen Euro an Subventionen äußerst kritisch gesehen werden, ist der ISB-Kredit ausdrücklich erwähnt. In diesem wurden am 28. Juli 2010 eine Reihe von Darlehen und stille Einlagen gebündelt, die am Nürburgring durch den Bau des überdimensionierten Freizeitparkkomplexes angehäuft worden waren.
Die Verantwortlichen der ISB haben seinerzeit ausdrücklich darauf gedrängt, dass alle Risiken beim Land liegen. Es wird noch nachzuprüfen sein, wie Rheinland-Pfalz sein Kreditrisiko abgesichert hat und ob die 330-Millionen-Bürgschaft beihilferechtlich ausreichend gegengeprüft wurde.
In einer Vernehmung der Koblenzer Staatsanwaltschaft gibt eine Referentin des Finanzministeriums am 23. März 2011 zu Protokoll: "Diese 100-prozentige Absicherung des Kreditrisikos war erforderlich, damit die ISB nicht nach § 18 KWG eine Kreditprüfung durchführen muss und ihre bankenaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalvorschriften einhalten kann." KWG steht für Kreditwesengesetz. Weiter heißt es: "Die ISB fungierte daher quasi nur als Clearingstelle des Landes zur Durchreichung der Gelder." Das "komplett risikolose" Geschäft für die ISB bezeichnet die Referentin als "normalerweise nicht üblich". Sie führte aus: "In letzter Konsequenz reichte nicht die Bürgschaft, sondern es war eine Landesgarantie auf erstes Anfordern nötig." Ein paar Zeilen weiter erklärte die Fachfrau laut Vernehmungsprotokoll: "Die Höhe der zugunsten der ISB erteilten Garantie beläuft sich auf 330 Millionen Euro."
Absicherung könnte hinfällig sein



In dem Rechtsgutachten geht der Jurist Clemens Antweiler jedenfalls davon aus, dass die Landesgarantie nicht zu marktüblichen Konditionen gewährt wurde. Dabei bezieht er sich unter anderem auf den Eröffnungsbeschluss des EU-Prüfverfahrens vom 20. März 2010. Dort wird in der Tat unter Ziffer 47 auf die "unbedingte und unwiderrufliche Garantie- und Freistellungserklärung" Bezug genommen. Die Wettbewerbshüter fragen, ob die inzwischen insolvente Nürburgring GmbH für die besonders weitreichende Absicherung eine Gebühr zahlte. An dieser Stelle wird zu überprüfen sein, ob die Landestochter am Ring auf diesem Weg zu besonders günstigen Konditionen für den ISB-Kredit gelangte. Möglicherweise wäre das Darlehen ansonsten nie zustandegekommen - weil zu riskant.
Laut Gutachten hätte das Land sowohl das 330-Millionen-Darlehen als auch die Landesgarantie zur Absicherung bei der EU anmelden und mit der EU abklären müssen (Notifizierungspflicht). Da dies nicht erfolgte, geht der Jurist Antweiler von einem Durchführungsverbot aus. Seine Schlussfolgerung: Darlehensvertrag und Landesgarantie sind nichtig.
Wenn sich diese Argumentation durchsetzt, bricht die gesamte Absicherung der landeseigenen Förderbank ISB zusammen. Denn die insolvente, nahezu landeseigene Nürburgring GmbH kann den Kredit bei der ISB nicht mehr bedienen. Das Land wiederum könnte ebenfalls nicht einspringen, bis es den Sachverhalt mit der EU geklärt hat, was einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Die ISB würde also auf dem voluminösen Kredit sitzen bleiben, bei dem alle drei Monate immerhin rund drei Millionen Euro an Zinsen fällig werden.
Bürgschaften einer Landesregierung werden übrigens bei vielen EU-Rechtlern als nicht unproblematisch betrachtet, weil sie in der Regel einen Kreditvorteil bieten. Schließlich kann ein Land (eigentlich) nicht pleitegehen. Von daher ist ein solches Geschäft immer besonders sicher.
Doch zurück zum Gutachten: Wenn 330-Millionen-Kredit und Landesgarantie fragwürdig (vielleicht sogar nichtig) sind, kann das Land, so die Expertise, auch nicht die Haushaltsrücklage von 254 Millionen Euro ziehen. Denn aus diesem Topf würde auch die ISB bedient, da das Land für seine insolvente Landestochter einspringen und den Kredit bedienen muss. Sollten dennoch Gelder aus der Rücklage fließen, könnten sich die Verantwortlichen, so das Gutachten, sogar wegen Untreue strafbar machen.

Dem Land droht zudem an einer weiteren juristischen Front Ärger: Das Hotel-Unternehmen Dorint, mandatiert durch Antweiler, streitet mit dem Land vor Gericht und will Schadensersatzansprüche erheben, weil es sich bei der Vergabe des Rings an die - gekündigten - Pächter 2010 benachteiligt fühlt. Hätte man diese Ansprüche bereits berücksichtigt, als das Land im Mai 2012 den Verkehrswert des Rings ermitteln ließ, wäre die Landestochter wohl noch früher insolvent gewesen. Daher stellt der Gutachter die Frage, ob nicht zusätzlich noch eine Insolvenzverschleppung vorliegt.
Extra

Der britische Formel-1-Chef Bernie Ecclestone will dem Nürburgring helfen, aber ein kompletter Kauf kommt für ihn nicht infrage. "Wir müssen das deutsche Rennen halten - also tun wir das Beste, was wir können", sagte der 81 Jahre alte Brite am Rande des Großen Preises von Ungarn. Dass er, wie zuletzt spekuliert worden war, sogar als Käufer zur Verfügung stehen könnte, verneinte der Multi-Milliardär. Auf die Frage, ob er dennoch finanziell einsteigen könnte, antwortete er: "Warten wir es ab." Er denke nicht, dass der Ring zum Verkauf stehe, sagte Ecclestone. Er möchte versuchen, die Traditionsstrecke zu retten. "Ich möchte keine der Rennstrecken verlieren", betonte Ecclestone. Er kündigte weitere Gespräche mit den Verantwortlichen an. Über die möglichen Gründe der finanziellen Schieflage des Nürburgrings meinte der Brite: "Was mich in Deutschland überrascht, ist, dass alle Rennstrecken diese finanziellen Probleme haben, denn das ist ja der Knackpunkt des Ganzen. Wahrscheinlich hat Deutschland sein ganzes Geld den Griechen gegeben - und das ist der Grund", sagte er. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort