Krumme Geschäfte mit den Ahnen

TRIER. Ein dubioser Verlag macht derzeit Werbung für Familienchroniken. Verbraucherschützer warnen davor, solche Bücher zu bestellen. Die Kripo ermittelt wegen Betrugs.

Ein Stammbaum, der die Familiengeschichte bis zum Ur-Uropa zurück verfolgt. Dazu noch ein eigenes Familienwappen. Wer glaubte, dass nur Blaublüter auf eine spannende Familiengeschichte zurückblicken können, der wird derzeit eines Besseren belehrt. In einigen Briefkästen landet dieser Tage ein Schreiben eines Steinadler Verlags mit Postanschrift im osthessischen Niederaula.Keine Vorkasse leisten

Ein Serienbrief, in dem Adresse und Name des Angeschriebenen ausgetauscht werden - ansonsten ein Schreiben, das so an Tausende von Haushalte geht. Falls man bislang nicht wusste, dass man einer uralten, traditionsreichen Familie angehört, wird man mit dem vom angeblichen Verlagsgeschäftsführer und Genealogen Wilhelm von der Aa aufgeklärt: "Die Chronik des …Geschlechts - Auch Sie als Nachfahre dieses Jahrhunderte alten Namens werden in in dieser Veröffentlichung aufgeführt sein!", preist der Verlag sein Werk an. Zum Vorzugspreis, wenn man bis zu einem bestimmten Zeitpunkt 49,95 Euro überweist (der Verlag verschickt seine Bücher ausschließlich gegen Vorkasse oder per Nachnahme). Zusätzlich gibt es dann noch das Familien-Wappen obendrauf. Finger weg von solchen dubiosen Angeboten, raten Verbraucherschützer. Die Verbraucherzentrale Sachsen spricht von Nepp. Statt einer Chronik in Buchform werde ein "primitives Heftchen mit nutzlosen Informationen" geliefert. "Vor allem sollte man keine Vorkasse leisten, bevor man das Buch nicht tatsächlich prüfen konnte", warnt Monika Stelz von der Verbraucherberatungsstelle Koblenz. Auch im Internet ( www.ahnenforschung.net) wird vor Steinadler gewarnt. "Vorsicht Falle" oder "Betrug" schreiben Geschädigte dort. Für viele dürften die Warnungen zu spät kommen. Haben sie die Chronik nämlich erst einmal bestellt, müssen sie auch bezahlen. Ruft man die auf dem Brief angegebene Telefonnummer an, erhält man nur wenig aufschlussreiche Informationen. Man sei spezialisiert auf Chroniken und Ahnenforschung, alle Informationen über den Namen des Anrufers habe man von Standesämtern und aus Kirchenchroniken im Laufe der Jahre zusammengetragen und im Computer abgespeichert, erklärt eine durchaus nett klingende Dame mit holländischem Akzent. Wo man denn die Adresse her habe? "Die haben wir vom Standesamt." Das kann nicht sein, heißt es aber beim Landesbeauftragten für Datenschutz in Mainz. Es sei nicht zulässig, dass Standesämter Adressen für Werbezwecke herausgäben. Mittlerweile wird gegen Steinadler wegen Betrugs ermittelt. 55 Anzeigen liegen der Staatsanwaltschaft Fulda vor. Doch die Anklage gestaltet sich nicht einfach. "Wir prüfen derzeit, ob wir überhaupt zuständig sind und ob Niederaula überhaupt Tatort ist", erklärt Harry Wilke, Sprecher der Staatsanwaltschaft Fulda. Denn so viel scheint klar zu sein: In Niederaula existiert kein Steinadler Verlag, unter der angegebenen Adresse gibt es nur ein Postfach, aber kein Büro. Telefon und Fax werden nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft per Weiche nach Holland umgeleitet, wo man in einem Call-Center landet. Wilke vermutet, dass die Fäden der Firma auf den niederländischen Antillen gezogen werden. Bei Steinadler schwört man jedoch Stein und Bein, dass man im hessischen Niederaula beheimatet ist. Und auf die Frage, warum man ständig mit Damen mit holländischem Akzent zu tun hat, bekommt man zu Antwort, dass eben "viele Holländerinnen bei uns arbeiten". An den ominösen Geschäftsführer Wilhelm von der Aa ist nicht ran zu kommen. Fragen beantworte er nur schriftlich, heißt es. Eine Fax-Anfrage des Trierischen Volksfreunds blieb bislang jedoch unbeantwortet. In dem kleinen Niederaula (knapp 5000 Einwohner) ist man über die zweifelhafte Berühmtheit des Ortes gar nicht begeistert. Auf der gemeindeeigenen Homepage erkundigen sich seit Wochen von Steinadler Angeschriebene über den Verlag, der offensichtlich nicht die einzige Briefkastenfirma ist, die Niederaula als Adresse angegeben hat. "Uns sind die Hände gebunden. Diese Firmen haben lediglich Postfächer im Postverteilzentrum gemietet, der Firmensitz ist nicht in Niederaula", entschuldigt sich Gemeindesprecher Jörg Nuhn.

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