Kurt Beck im Rückspiegel

Kurt Beck? Kein Thema! Mit demonstrativer Nichtbeachtung ging das SPD-Präsidium in seiner gestrigen Sitzung über eine Vorabveröffentlichung aus den Memoiren des ehemaligen Parteivorsitzenden hinweg. Die SPD richte den "Blick nach vorn" und nicht in den "Rückspiegel", meinte Generalsekretär Hubertus Heil. Dabei lässt Beck in dem Buchauszug an seinem designierten Nachfolger Franz Müntefering kaum ein gutes Haar.

Berlin/Mainz. (vet) Eigentlich war das Werk mit dem schlichten Titel "Kurt Beck. Ein Sozialdemokrat" schon geschrieben. Um den "sympathischen Menschen" Beck sollte es darin gehen und um seinen Weg "bis hinein in die Zentren der Berliner Macht". Dann kam der politische Gau vom Schwielow-See dazwischen. Bei einem chaotischen Treffen der Parteiführung Anfang September trat der Mainzer vom Vorsitz zurück. So blieben nur zwei Möglichkeiten: eine Veröffentlichung des Buches zu stoppen oder es um ein paar brisante Betrachtungen zu bereichern. Beck entschied sich für letzteres.

Immer noch klingt tiefe Verbitterung durch



Sein Verhältnis zu Franz Müntefering sei "nicht unproblematisch", schreibt Beck laut Vorabdruck in der "Bild"-Zeitung. "Unser Politikstil, die Art, Machtfragen zu stellen, sind schwer vereinbar". Zugleich wirft er Müntefering vor, als Vizekanzler habe er nur den Koalitionsvertrag im Sinn gehabt und keine darüber hinaus reichende Perspektiven. "Als SPD-Vorsitzender bemühte ich mich um ein eigenständigeres Profil der Sozialdemokraten. An diesem Punkt gingen die Meinungen von mir und Franz Müntefering auseinander", schreibt Beck.

Allerdings übt er auch Selbstkritik: "Im März 2008 ist mir ein schon oft eingestandener Fehler unterlaufen".

Offenbar meint der Pfälzer damit seinen medienöffentlich gewordenen Kurswechsel, der hessischen SPD für eine Kooperation mit den Linken grünes Licht zu geben. Die Entscheidung stürzte die Partei in heftige Turbulenzen. Doch sein Sinneswandel war schon Mitte Februar in den Schlagzeilen, wenige Tage vor der Senatswahl in Hamburg. Interessant ist, dass Beck nach seiner jetzigen Darstellung zumindest bis dahin überzeugt war, auch Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu werden. Durch die "Ankündigung einer richtigen Konsequenz zum falschen Zeitpunkt" habe er seine "bis dahin vorhandene Chance eingebüßt, selbst als Spitzenkandidat der SPD in den Bundestagswahlkampf zu ziehen", befindet Beck.

In der Beschreibung seiner letzten Stunden als Parteichef klingt immer noch tiefe Verbitterung durch. Schon auf dem Landesparteitag der rheinland-pfälzischen SPD am vorvergangenen Wochenende hatte sich Beck über den "Umgangsstil eines Wolfsrudels" unter den Spitzengenossen beklagt. Jetzt schreibt er, die Versorgung der Medien mit "Falschinformationen" kurz vor der Parteiklausur am Schwielow-See hätte ihm gezeigt, dass die "gezielten Angriffe auf mich und meine Arbeit nicht nur fortgesetzt" werden würden. Mit Altkanzler Gerhard Schröder nennt Beck in diesem Zusammenhang auch zum ersten Mal einen konkreten Namen. Pikant daran: Schröder sollte bei der Präsentation von Becks Autobiographie die Laudatio halten. Nun übernimmt dies am Donnerstag der Fernsehjournalist Heiner Bremer. Unter den Genossen stieß Becks Memoiren auf wenig Begeisterung.

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