Landes-CDU: Bittere Wahlnachlese nach einer historischen Niederlage in Rheinland-Pfalz

Mainz · Am Tag nach dem Wahldebakel hat bei der rheinland-pfälzischen CDU das Wundenlecken begonnen. Schuldvorwürfe an Spitzenkandidatin Julia Klöckner waren allenfalls hinter vorgehaltener Hand zu hören. Dabei hat die 43-Jährige das bislang schlechteste CDU-Ergebnis bei einer Landtagswahl eingefahren.

Die meisten CDU-Spitzenpolitiker haben sich nach dem Wahlschock vom Sonntagabend wenigstens für ein paar Stunden aus der Landeshauptstadt verzogen. Erst einmal abschalten, hieß die Devise, durchschnaufen und auf andere Gedanken kommen, bevor es zumindest für die Vorständler am frühen Montagabend weiterging. Auf dem Programm der Vorstandssitzung stand, wen wundert's, die Landtagswahl.

Dass es kein vergnügungssteuerpflichtiges Treffen werden würde, war allen Beteiligten schon vorher klar. Aber von einem möglichen Tribunal für Parteichefin Julia Klöckner wollte im Vorfeld auch niemand sprechen. Im Gegenteil. "Wir werden uns hinter Julia Klöckner stellen", kündigte Vorstandsmitglied Peter Bleser vor der Sitzung im Gespräch mit unserer Zeitung an: "An ihrer Führungsrolle gibt es keinen Zweifel." Ähnlich äußerte sich auch Fraktionsvize Alexander Licht: "Wir stehen klar und deutlich hinter Julia." Sie habe einen Top-Wahlkampf mit riesigem Engagement hingelegt, lobt der CDU-Landesvize und Trier-Saarburger Landrat Günther Schartz.

Die Solidaritätsadressen können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der rheinland-pfälzischen CDU grummelt, auch wenn sich noch niemand aus der Deckung hervorwagt. Die CDU hat am Sonntag mit 31,8 Prozent das schlechteste Landtagswahlergebnis aller Zeiten eingefahren. Selbst der Trierer Christoph Böhr, der zwischen 1996 und 2006 an der Spitze der Landes-CDU stand, fuhr in seinem Rücktrittsjahr mit 32,8 Prozent ein besseres Resultat ein.
"Dieses Image, das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren zu haben, wird Julia Klöckner nie mehr loswerden", sagt ein Parteifunktionär, der lieber anonym bleiben möchte. Seine Forderung: An der Spitze müsse es einen personellen Wechsel geben. "Dann haben wir in zehn Jahren wenigstens eine Chance."

Ausgerechnet der Eifeler CDU-Politiker Michael Billen, kein ausgewiesener Freund der Landesvorsitzenden, sieht dies anders. Es sei "völliger Quatsch, schon montags über personelle Konsequenzen nachzudenken", sagte Billen unserer Zeitung. "Und wer soll's denn machen?"Kein Rücktritt erwartet

Mit Rücktrittsforderungen an die Adresse Klöckners wurde somit im Vorfeld der Vorstandssitzung und der Fraktionssitzung am Dienstag nicht gerechnet. "Die Partei- und Fraktionsvorsitzende wird auch von sich aus nicht zurücktreten", sagte ein CDU-Politiker aus dem engsten Führungszirkel der Partei. Das wäre inkonsequent und würde nicht zu ihr passen, sagte ein anderer.

Quer durch die Bank warnten Parteifunktionäre am Montagnachmittag vor übereilten Reaktionen und Konsequenzen. Wohl auch mit Blick darauf, dass die Ampel zwar das favorisierte Bündnis von SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer sei. Aber ob es am Ende tatsächlich dazu komme, müsse abgewartet werden, meint etwa Vorstandsmitglied Peter Bleser. Der Cochemer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium hatte schon am Sonntagabend einer Juniorpartnerschaft in der großen Koalition das Wort geredet: "Wenn wir die Gelegenheit dazu haben, sollten wir dies tun."

So schnell allerdings dürfte sich diese Gelegenheit nicht bieten. Regierungschefin Dreyer wird zunächst einmal mit den Liberalen ausloten, unter welchen Bedingungen sich die Gelben ein Bündnis mit Roten und Grünen vorstellen können. FDP-Chef Volker Wissing ist dazu bereit, wird allerdings die Haut seiner Partei möglichst teuer verkaufen.
Besser auf Merkel-Linie

Wissings Lieblingspartner wäre ohnehin die CDU gewesen. Noch am Sonntagabend hatte deren Vorsitzende Julia Klöckner die in einer Mainzer Tanzschule feiernden Liberalen besucht und zu ihrem Wiedereinzug in den Landtag gratuliert. Danach machten sich die Verlierer auf den Heimweg.

Die Erklärungen für das Wahldebakel klangen auch am Tag danach kaum anders als in der Wahlnacht. Die landespolitischen Themen seien im Wahlkampf von dem alles überlagernden Thema Flüchtlinge in den Hintergrund gedrängt worden, meinten die Parteioberen auch am Montag in großer Eintracht. "Wir haben in der Flüchtlingspolitik unbequeme Wahrheiten angesprochen, das war vielleicht unser Fehler", sagt Landesvize Günther Schartz. Ein anderer Parteifunktionär wird deutlicher: "Wir wären besser auf Merkel-Linie geblieben, das hätte uns wenigstens nicht geschadet."

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