Landesparteien stoppen Mitgliederschwund

Nach vielen Jahren mit sinkenden Mitgliederzahlen erleben die Volksparteien in Rheinland-Pfalz 2009 eine Trendwende: CDU und SPD verzeichnen zum ersten Mal in diesem Jahrzehnt wieder echte Zuwächse. Das heißt, die Eintritte überwiegen nicht nur die Austritte, sie gleichen sogar jeweils mehrere Hundert Sterbefälle in den überalterten Mitgliederbeständen wieder aus.

Rheinland-Pfalz. Beide Volksparteien schreiben das einer verstärkten Mitgliederwerbung zu sowie dem Mobilisierungseffekt, den jede Kommunalwahl auslöst. Auch FDP und Grüne wachsen kräftig. "So viele Eintritte wie seit zehn Jahren nicht" hat die CDU laut ihrem Generalsekretär Josef Rosenbauer. Zwischen Jahresbeginn und Juni 2009 lag der Mitgliedersaldo erstmals seit 1999 wieder 0,2 Prozent im Plus. Mit einem Stand von rund 49 700 bleibt die CDU die mitgliederstärkste Partei im Land.

Rosenbauer sieht darin einen Erfolg der verstärkten Mitgliederwerbung und des vor zwei Jahren gestarteten Förderprogramms für kommunalpolitischen Nachwuchs. Als Reaktion auf die Parteispendenaffäre im Bund hatte im Jahr 2000 die Landespartei 3,6 Prozent ihrer Mitglieder verloren. In den Jahren danach schrumpfte sie jeweils um 0,5 bis 3 Prozent. Plus 0,1 Prozent, das klingt wenig. Doch SDP-Generalin Heike Raab freut sich: "Das ist gigantisch." Ihr Jubel wird beim Blick zurück verständlich. Die "Agenda-Jahre" 2003 und 2004, als Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder seine ungeliebten Sozialreformen durchsetzte, hatten auch der Beck-SPD jeweils sechs Prozent Minus beschert.

Grünen schwärmen von "regelrechtem Ansturm"



In den Jahren danach schmolz sie um 3,5 und dann um drei Prozent. Heute freut sich Generalin Raab über die Stabilisierung bei 44 000 Parteigängern. "Der positive Trend bleibt", sagt sie optimistisch. "Wir erleben ein unheimlich starkes Interesse an der politischen Diskussion."

Gezielte Werbekampagnen, Weiterbildungsseminare für junge Kommunalpolitiker und die Gründung thematischer Arbeitskreise trügen inzwischen Früchte.

Bei der FDP sind 500 Eintritte seit Jahresbeginn rekordverdächtig. "Ich habe das in 20 Jahren in dieser massierten Form noch nicht erlebt", sagt Landesgeschäftsführer Josef Becker. "Und das hält an", beflügelt auch von Stimmengewinnen bei der Kommunalwahl. Derzeit gibt es 5300 liberale Parteigänger.

Von einem "regelrechten Ansturm" schwärmen auch die Grünen: Seit Jahresbeginn verzeichnen sie ein Plus von 230 oder acht Prozent und liegen jetzt bei gut 2200. Landesvorsitzende Eveline Lemke schreibt das einem "engagierten Kommunalwahlkampf" zu, an dessen Ende die Grünen deutlich Stimmen gewannen. Mehr Eintritte als Austritte gibt es seit Jahresbeginn bei der "Linken": 20 bis 30 Eintritte pro Monat, schätzt Landesvorsitzender Alexander Ulrich.

Rund 1900 "Linke" sind es zurzeit landesweit. Zeichnet sich hier das Ende der Parteienmüdigkeit ab? Eher nicht, sagt der Politikwissenschaftler Professor Ulrich Sarcinelli von der Universität Landau. "Der generelle Trend ist, dass alle Parteien mit Ausnahme der FDP unter dramatischen Mitgliederverlusten leiden."

Die Gründe sind bekannt: demografischer Wandel, häufigere berufsbedingte Umzüge und der Trend zur Individualisierung. "Der moderne Mensch bindet sich nicht mehr in gleicher Weise an Großgruppen wie Parteien, Gewerkschaften und Kirchen", sagt Sarcinelli. Er schließt aber nicht aus, dass mittlerweile eine Talsohle erreicht sein könnte und die Parteien "auf dieser Basis eine Stabilisierung erleben".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort