Lange Odyssee mit vielen Lücken

TRIER. Gestern hat vor dem Trierer Landgericht der Prozess gegen den 44-Jährigen begonnen, der im Sommer vergangenen Jahres bei einer Verfolgungsjagd zwischen Bitburg und Oberweis zwei Streifenwagen demolierte.

"Ich spüre nichts Außergewöhnliches, jetzt bin ich gesund", antwortet der Angeklagte mit starrem Blick zu Beginn der Verhandlung auf die Frage eines Sachverständigen. Dieser hat den 44-Jährigen im Februar diesen Jahres untersucht und daraus resultierend ein Gutachten erstellt, das sich in eine Reihe bereits vorhandener psychologischer Beurteilungen nahtlos einfügt. Fast alle haben eines gemeinsam: Sie bescheinigen dem Angeklagten - der sich in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 2002 eine spektakuläre Verfolgungsjagd mit der Bitburger Polizei lieferte - eine offensichtliche psychotische Erkrankung. Der erste Eintrag in seiner Krankenakte ist von 1995, bestätigt wird die Krankheit zuletzt während der Verhandlung durch den Gutachter. Im Zeitraum dazwischen liegt ein medizinisches Urteil, dem die Richter besondere Aufmerksamkeit schenken. Seine letzte Begutachtung vor der Verfolgungsjagd hat der Angeklagte nämlich am Morgen des 5. Juni 2002, also an jenem Tag, an dem sich die Tat ereignet. Der Mann steht an diesem Morgen bereits in seiner Heimatstadt Kaiserslautern vor Gericht, wo ein Arzt, der ihn ebenfalls zuvor untersucht hat, die Einweisung in eine Psychiatrie beantragt. Der zuständige Richter lehnt den Antrag ab, weil eine Gefahr für Mitmenschen laut Gutachten nicht gegeben ist. Warum genau der Angeklagte im Lauf des Tages dann in Bitburg landet, kann auch vor Gericht nicht einwandfrei rekonstruiert werden - angeblich will er seine Freundin in Brühl besuchen. Wegen starker Schmerzen im Oberarm, die auf eine vorherige Verletzung zurückzuführen sind, bricht er dann seine Fahrt in Trier ab und sucht ein Krankenhaus auf. Dort werden ihm ein Antibiotikum und ein starkes Schmerzmittel verschrieben, die er sich in einer Apotheke besorgt, einnimmt und dann weiter in Richtung Brühl fährt. Unmittelbar vor Bitburg habe er angehalten, um ein wenig zu schlafen, erklärt der 44-Jährige leise und zögerlich, und als er aufwachte, sei es schon dunkel gewesen. Was dann passiert ist, daran kann sich der Angeklagte kaum noch erinnern, was angesichts seiner erkennbaren psychischen Störung auch glaubhaft scheint. Er habe "Angst vor der Polizei" gehabt, ist eine der wenigen Äußerungen, die er von sich gibt, als die Richterin nach dem Grund seiner Fahrerflucht fragt.Man solle ihm helfen, schreit der Mann

Der Polizei fällt der Fahrer des BMW auf, als er in Bitburg gegen eine Einbahnstraße fährt. Was folgt ist eine Verfolgungsjagd (der TV berichtete), die für die beteiligten Polizisten ebenso spektakulär wie sonderbar ist. Sonderbar deshalb, weil der 44-Jährige zwar mehrmals anhält, aber nicht aussteigen möchte und weil er die ersten Kilometer des ordnungswidrigen "Rennens" mit relativ niedriger Geschwindigkeit fährt. Die Festnahme lässt der Mann - nachdem er endlich gestellt wird - widerstandslos über sich ergehen. Als er am folgenden Morgen das Polizeirevier verlässt und mit dem Zug Richtung Heimat fährt, werden Grenzschutzbeamte am Saarbrücker Bahnhof auf ihn aufmerksam, weil er mehrfach gegen eine Glasscheibe tritt. Man solle ihm doch helfen, schreit der verwirrte Mann und beruhigt sich anschließend wieder, als die Beamten ihn nach seinen Personalien fragen. Am Ende dieser Odyssee stehen ratlose Beamte von Bitburg bis Kaiserslautern und ein Mann, dessen Unzurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt im Gericht nicht angezweifelt wird. Am Montag soll nach den Plädoyers darüber entschieden werden, ob der Täter in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen wird.

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