Lauschen unerwünscht

MAINZ. Das Abhören von Telefonaten wird erleichtert, öffentliche Plätze sollen verstärkt per Video überwacht und Rasterfahndungen zur Kriminalitätsvorbeugung eingesetzt werden: Datenschützer und Grüne protestieren gegen das geplante rheinland-pfälzische Polizeigesetz.

Sönke Hilbrans, Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, fährt schweres Geschütz auf, wenn er den vom Mainzer Innenministerium vorgelegten Entwurf für ein Polizei- und Ordnungsbehördengesetz bewertet. In die Privatsphäre der Bürger werde heimlich eingegriffen, die Polizei übernehme Aufgaben der Nachrichtendienste sowie Befugnisse von Staatsanwaltschaften und überhaupt stelle sich in mehreren Punkten der Neuregelung die Frage der Verfassungsmäßigkeit, so der Experte für Öffentliches Recht. Aus seiner Sicht ist anzuzweifeln, ob das Land überhaupt eine so weit reichende Lockerung der Telefonüberwachung regeln kann, wenn der Bereich Telekommunikation grundsätzlich in die Kompetenz des Bundes fällt.Auch lässt die Gesetzesvorlage laut Hilbrans zu allgemeine Ausnahmen zu, wenn es um die Nicht-Benachrichtigung Betroffener über verdeckte Ermittlungen geht. Das Verfassungsgericht in Sachsen habe dies bereits als nicht akzeptabel abgelehnt, so der Jurist.Berufsgeheimnisse sind gefährdet

Nach seinen Angaben gehört Deutschland bereits zu den Weltmeistern bei der Telefonüberwachung. Rund 22 000 Anordnungen wurden im Jahr 2002 verfügt. Etwa 1,5 Millionen Gespräche wurden dadurch überwacht. Der Genehmigungsvorbehalt durch einen Richter hat sich nach seiner Einschätzung nicht bewährt: Neun von zehn Anträgen werden befürwortet. In vielen Fällen seien jedoch die Beschlüsse fehlerhaft. Grundsätzlich kritisiert Hilbrans, dass bisherige Rechte der Polizei zur Gefahrenabwehr nun auch großzügig zur Vorbeugung eingesetzt werden sollen. Lausch- oder Spähangriffe zur präventiven Überwachung und damit ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre hält er nicht für akzeptabel.Telefonüberwachung auf Verdacht, Rasterfahndung als vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung oder das Aushöhlen von Rechten der Berufsgeheimnisträger wollen die Grünen nicht hinnehmen. Bleibt der Gesetzentwurf unverändert, werde eine Verfassungsklage geprüft, so die Landtagsabgeordnete Friedel Grützmacher.Auch der Datenschutzbeauftragte des Landes hat mehrfach Nachbesserungen gefordert. Abgelehnt wird zudem der "große Spähangriff" und eine polizeiliche Beobachtung ohne richterliche Anordnung. Vergangene Woche war Rheinland-Pfalz zusammen mit Thüringen, Bayern und Niedersachsen mit einem Negativ-Preis, dem "Big Brother Award", von Datenschützern ausgezeichnet worden, weil durch verschärfte Polizeigesetze in elementare Grundrechte eingegriffen werde.

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