Lichtblick am Rand der Dämmerung

TRIER. Seit Jahresbeginn existiert in den Räumlichkeiten des Elisabeth-Krankenhauses das erste Demenzzentrum der Region Trier. Die Beratungs- und Betreuungs-Angebote, die bewusst versuchen, Hemmschwellen niedrig zu halten, werden gut angenommen. Zum Beispiel das Demenz-Café.

Es könnte ein x-beliebiges Seniorencafé im Pfarrheim sein. Eine Gruppe von Menschen zwischen Mitte 50 und Ende 70 sitzt in einem gemütlich-altmodischen Wohnzimmer, Blumensträußchen auf dem Tisch, Natur-Stillleben an der Wand, dampfender Kaffee in den Tassen. Man hat sich ausgehfein gemacht, die Kleidung ist sorgfältig gewählt, die Frisur sitzt. Es wird geplauscht und genossen.Pflegebedürftig rund um die Uhr

Und doch ist alles anders. Der eine oder andere von der fröhlichen Kaffeetafel wird am Ende nicht mehr wissen, warum er an diesem Mittag hier war, was er getan und wen er getroffen hat. Denn die Gäste sind demenzkrank, im Alltagsleben oft Rund-um-die-Uhr-Pflegefälle. Ihre Angehörigen sind froh, sie jeden Dienstagnachmittag für zweieinhalb Stunden in guten Händen zu wissen, und für die Kranken selbst ist das Demenz-Café eine willkommene Abwechslung. Mit Angela Tonner kümmert sich eine gelernte Fachkraft um die Betreuung der zehn Besucher, zwei ehrenamtliche Helferinnen stehen ihr zur Seite. Sie sprechen die Menschen an, geben ihnen kleine Aufgaben, ziehen sie in eine Unterhaltung. Aktivität ist angesagt, kein passives Herumsitzen. Heute backt man gemeinsam Waffeln. Herr K., der einzige Mann in der Runde, rührt ebenso eifrig wie geduldig mit dem Mixer den Waffelteig. Er komme immer gern, erzählt er augenzwinkernd, "wenn nachher was Süßes auf dem Tisch steht". Kein Mensch käme auf die Idee, ihn für krank zu halten. Derweil sitzt seine Frau nebenan bei Stefan Kugel, einem der beiden hauptamtlichen Mitarbeiter des Demenzzentrums, und weiß nicht mehr ein noch aus. Für die Berater ist die Diskrepanz zwischen den "hellen Momenten" der Demenzkranken, die oft den ersten Eindruck prägen, und der wachsenden Hilflosigkeit im Alltag ganz normal. Vor allem in der Anfangsphase seien es oft die Kranken selbst, die sich bemühten, eine "tolle Fassade" aufrecht zu erhalten, berichtet Kugels Kollegin Uschi Wihr. Zudem seien die Patienten oft "körperlich total fit". Frau B. beispielsweise ist Mitte 50, gepflegtes Äußeres, gewählte Sprache. Sie erzählt von ihrer Mutter, die schon 85 ist "und trotzdem noch gut drauf". Frau B. könnte man sich gut als Theater-Besucherin vorstellen, oder als Kundin in einer Boutique. Aber dann beklagt sie sich, dass ihr irgendwas wehtut, kann aber beim besten Willen nicht sagen, was. Marga Esch wundert sich im Gegensatz zu einem demenz-unkundigen Betrachter nicht über solche Erscheinungen. Sie begleitet ihre Mutter zu der wöchentlichen Café-Runde. "Man muss viel Geduld haben, wie früher mit den Kindern", sagt die Frau aus Kenn. Für die Initiative des Demenzzentrums ist sie so dankbar, dass sie sogar ein Gedicht geschrieben hat. "Kleine Wunder sind hier geschehen, ich habe meine Mutter wieder lachen gesehen", lautet die Schlüsselzeile. Dass die Angehörigen dabei bleiben, ist eher die Ausnahme. So ist es den Betreuern in der Regel auch lieber. Die Kranken lassen sich leichter fordern, wenn sie "unter sich" sind. Zudem, betont Fachfrau Uschi Wihr, sei es für die Angehörigen "ganz wichtig, zu lernen, wenigstens für ein paar Stunden loszulassen" und sich selbst eine Auszeit von der Dauer-Betreuung zu gönnen. Zehn "Stammgäste" hat die Gruppe, "mehr wären zu viel", sagt Wihr. Aber wenn es weitere Interessenten gibt, ist man durchaus bereit, weitere Café-Runden anzubieten. "Vielleicht auch mal in großzügigerer Umgebung, im Sommer vor allem an der frischen Luft", hofft Betreuerin Angela Tonner. Aber noch ist das Demenzzentrum in einer dreijährigen Versuchsphase, die langfristige Zukunft nicht gesichert. Doch die Akzeptanz für das Thema wächst. So wird sich die anstehende Gesundheitsförderungskonferenz mit der "Bewältigung von Demenz-Erkrankungen" beschäftigen, vor dem Hintergrund aktueller Prognosen, die einen dramatischen Anstieg der Erkrankungen vorhersagen. Die Tendenz können auch Uschi Wihr und Stefan Kugel bestätigen. In den wenigen Monaten ihrer Arbeit haben sie schon in mehr als 80 Fällen beraten. Und manchmal eben auch, während der Betroffene im Demenzcafé einen entspannten Nachmittag genießt. Gesundheitsförderungskonferenz am 14. Juni von 15 bis 19 Uhr im IHK-Tagungszentrum Trier. Infos: 0651/4362217.

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