Lieber den Spatz in der Hand?

TRIER. Bei der Diskussion um schlanke Verwaltungen und größere Behörden-Einheiten befindet sich Rheinland-Pfalz in guter Gesellschaft. Landauf, landab debattieren Politiker und Experten, und dies mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen.

Im Osten der Republik ist man nicht viel weiter als in Rheinland-Pfalz. Auch in Thüringen trauen sich die Politiker noch nicht so richtig aus der Deckung, obwohl es dort inzwischen handfeste Spekulationen über eine weit reichende Gebietsreform gibt. Ein umfassendes Umkrempeln der kommunalen Gebietskörperschaften forderte erst vor wenigen Tagen der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag, Christoph Matschie, in Erfurt. Er verwies auf Äußerungen von Regierungsmitgliedern und CDU-Landtagsabgeordneten und sagte Thüringens Innenminister Karl Heinz Gasser in seinem Ruf nach einer Gebietsreform tatkräftige Unterstützung zu. Matschie kritisierte gleichzeitig Ministerpräsident Dieter Althaus, der eine Gebietsreform nach wie vor ablehne. "Thüringen hat mit 1000 in etwa so viele selbstständige Gemeinden wie Niedersachsen", wetterte der Ost-Genosse. Dagegen habe Niedersachsen bei ebenso vielen Landkreisen aber weit mehr Einwohner. Es sei an der Zeit, die in den 90er Jahren in Thüringen entwickelten Strukturen zu korrigieren. Angesichts stetig sinkender Bevölkerungszahlen und immer knapperer Finanzen sei es geradezu unausweichlich, für gestraffte Strukturen zu sorgen. Nötig sei, die Zahl der Landkreise in etwa zu halbieren. Eine heftige Diskussion fechten derweil zur Zeit auch die Ostfriesen aus. In den Wattenmeer-Metropolen Niedersachsens gibt es ernsthafte Bestrebungen, den Großkreis Ostfriesland zu bilden. Das würde bedeuten: Die Kreise Aurich, Leer, Wittmund sowie die kreisfreie Stadt Emden müssten sich zusammenschließen. Ein solcher Großkreis hätte demzufolge 463 000 Einwohner in 63 Gemeinden. Doch wenn das mal so einfach wäre. Kaum war dieser Vorschlag auf dem Tisch, da meldete sich der niedersächsische SPD-Europaabgeordnete Garrelt Duin zu Wort und plädierte für einen Kommunalverband Ostfriesland. Ihm nämlich sei "der Spatz in der Hand lieber als die Taube Großkreis" auf dem Dach, um den es eh nur ein zähes, jahrelandes Ringen geben würde. Duin schlug während einer emotionsgeladenen Diskussion stattdessen vor, eine Hauptversammlung mit 50 Delegierten aus dem Boden zu stampfen. Deren Beschlüsse müssten verbindlich und von den Landräten umzusetzen sein. In Berlin haben die Politiker unterdessen bereits vor drei Jahren Nägel mit Köpfen gemacht. Dort gibt es nur noch zwölf statt der bis dahin 23 Bezirke. Die neuen Verwaltungseinheiten weisen eine zwischen 220 000 und 340 000 liegende Einwohnerzahl auf. Die schon immer bevölkerungsstarken Bezirke Spandau, Neukölln und Reinickendorf blieben in ihren bisherigen Grenzen vorhanden, die anderen fusionierten. Erstaunlich: Es wurden keine neuen Bezirksgrenzen gezogen, alte jedoch durch die Verschmelzung aufgehoben. Zwei der neuen Bezirke vereinen im Übrigen Gebiete des ehemaligen Ost- und Westteils der Stadt. Von einer regelrechten Verwaltungsrevolution spricht man indes im Kreis Lüchow-Dannenberg. Nur, wenn man diesen Kreis auflöse, habe die Region überhaupt noch eine Überlebenschance, ließ Landrat Dieter Aschbrenner verlauten. Seine Rechnung: Ein Kreis mit 50 000 Einwohnern könne sich 500 Mandatsträger, 33 Parlamente, 100 Millionen Euro Schulden und 700 Verwaltungsmitarbeiter schlichtweg nicht leisten. Alle 27 so genannten Samtgemeinden müssten in einer Einheit aufgehen. Aschbrenner hat sich mit seiner Forderung nicht nur Freunde geschaffen. Während man ihn in der Regierungszentrale in Hannover als "mutigen Revolutionär" feiert, wie " Die Zeit" jüngst berichtete, werfen ihm seine Gegner vor, die Demokratie vom Kontostand abhängig zu machen. Ihr Argument: Die Gemeinden seien die Kernzelle der Demokratie. Wie diese Kernzellen überleben sollen, steht - auch in Lüchow-Danneberg - allerdings in den Sternen. Morgen wagen wir in unserer gemeinsamen Serie mit der Rhein-Zeitung einen weiteren Blick über den Tellerand. Dann berichten wir, wie unsere Nachbarn in Luxemburg, Belgien und Frankreich ihre Verwaltungen organisieren.

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