Löcherstopfen ohne Garn

TRIER. Freie Stellen über freie Stellen - wovon Millionen Arbeitslose träumen, das stellt die Schulbehörden vor große Probleme. Denn kaum jemand interessiert sich für vakante Rektoren- Posten. Viele Schulen sind an der Spitze bereits verwaist.

Leiterin einer Hauptschule - das wäre genau das Richtige für sie, dachte Sabine Becker und bewarb sich bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier auf eine freie Stelle in der Region. Später entschied sich die 38-jährige Hauptschullehrerin aus Beuren dann doch für den Job an einer erweiterten Realschule im Saarland - als zweite Konrektorin. Nicht nur, dass sie so weniger Arbeit hat und Verantwortung trägt, sie verdient auch mehr. Sabine Becker verkörpert das Problem, dass bei der Besetzung vakanter Schulleiterstellen in Rheinland-Pfalz immer deutlicher zutage tritt: Für die meisten potenziellen Bewerber steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag. Willi Hermes hat "großes Verständnis für junge Kollegen, die sagen: Schulleitung? Das erspare ich mir". Der Neuerburger war bis zu seiner Pensionierung zum Beginn der Sommerferien Chef der Grund- und Hauptschule in Daleiden. Seine Aufzählung typischer Schulleiter-Probleme: Die Freistellungsstunden reichen bei weitem nicht, die Erziehungsprobleme in den Familien belasten die Schulen immer stärker, und durch die in den vergangenen Jahren erweiterte Selbstständigkeit sind viele neue Aufgaben auf die Rektoren zugekommen. So sind sie oft an der Auswahl neuer Kollegen beteiligt, kümmern sich selbst um Vertretungslehrer und erarbeiten pädagogische Konzepte für ihre Schulen. Sinnvolle Ansätze, betont Hermes, doch die entsprechende Entlastung an anderer Stelle sei ausgeblieben. Und Sparzwänge erschwerten die Arbeit zusätzlich. Ebenso abstoßend auf potenzielle Schulleiter wirke der Weg dorthin, meint Wieland Eßling, stellvertretender Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Nach der Bewerbung müssen sich Interessenten einer Überprüfung stellen: eine Stunde halten, den Unterricht eines Kollegen beurteilen, eine Konferenz leiten und eine umfangreiche mündliche Prüfung hinter sich bringen. Dann wird der Kandidat kommissarisch als Schulleiter eingesetzt und muss sich ein Jahr lang in dieser Position bewähren - ohne dafür einen Cent zu erhalten. Gibt es dann endlich den Rektoren-Sold, liegt er meist nicht deutlich höher als der des "normalen" Lehrers.Genauso schwer zu finden: Konrektoren

Besonders deutlich tritt der Mangel an Grund- und Hauptschulen zutage. Weil es davon deutlich mehr gibt als Realschulen und Gymnasien, aber auch, weil viele von ihnen weniger als 180 Schüler haben. Denn das bedeutet: kein Konrektor und damit noch mehr Arbeit für den Schulleiter. Stellvertreter zu finden ist übrigens fast genau so schwierig wie die Suche nach Chefs selbst. Das berichtet Günter Philipps, bei der ADD Trier für diese Aufgaben zuständig. Er braucht eine große Frustations-Toleranz: "Oft bewerben sich Konrektoren anderer Schulen auf Schulleiterstellen, und ich habe ein neues Loch." Die Löcher werden nach Einschätzung von Wieland Eßling demnächst noch häufiger: Viele Schulleiter stünden kurz vor der Pensionierung. Seine Gewerkschaft fordert neben vereinfachten Bewerbungsverfahren mehr Entlastungsstunden, mehr Sekretärinnen und vor allem neue Anreize in der Besoldung. Während Sabine Becker bei insgesamt drei Bewerbungen im Saarland jedes Mal gleich mehrere Mitbewerber hatte, war Willi Hermes‘ Stelle in Daleiden bereits zwei Mal ausgeschrieben. "Meines Wissens hat sich niemand gemeldet", erzählt der Schulleiter a.D.. Was das Ganze noch schlimmer macht: Auch die Konrektorenstelle ist seit Anfang des Jahres vakant. So muss der dienstälteste Lehrer zusehen, wie er neben seinem eigenen Unterricht den Rektor und dessen Stellvertreter ersetzt, wenn in zwei Wochen die Schüler wieder in die Klassenräume zurückkehren. Während potenzielle rheinland-pfälzische Schulleiter Konrektorenstellen im Saarland antreten.

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