Lügen und Bösartigkeiten

WASHINGTON. Der US-Wahlkampf kommt in die heiße Phase. Damit werden auch die Töne schärfer, die in den Lagern Bush und Kerry angeschlagen werden, und die Vorwürfe gehen zunehmend unter die Gürtellinie.

Wenn zwei sich ständig streiten, können irgendwann auch die "First Ladies" nicht mehr schweigen. So war es natürlich kein Zufall, sondern eiskaltes Kalkül, dass Teresa Heinz Kerry, die Gattin des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers John Kerry, sich in einem Interview laut wunderte, ob Laura Bush "jemals einen richtigen Job" gehabt oder für den Texaner nur die brave Hausfrau am Herd gemimt habe. Doch die spitze und wenig charmante Bemerkung entpuppte sich, nachdem sie schnell hohe Wellen in den Medien schlug, als Rohrkrepierer. Auf Drängen von besorgten Kerry-Wahlkampfmanagern musste die milliardenschwere Erbin des US-Ketchup-Imperiums Heinz wenig später kleinlaut eingestehen, sie habe sich geirrt - und völlig vergessen, dass die Ehefrau des Präsidenten lange als Lehrerin und Bibliothekarin gearbeitet habe. Doch Entschuldigungen wie diese sind rar in einem Wahlkampf um das Weiße Haus, der nach Ansicht von Beobachtern längst zu einer historisch beispiellosen Schlammschlacht entartet ist, bei der Lügen, persönliche Beleidigungen und Bösartigkeiten sowie der Faktor Furcht Hauptrollen spielen. So warf jetzt sogar die "New York Times", die sich vor wenigen Tagen offen für die Wahl des Bush-Herausforderers ausgesprochen hatte, eben jenem John Kerry vor, "völlig von der Leine" zu sein, nachdem dieser in einer einzigen Wahlkampfrede ein innenpolitisches Horrorszenario in einer zweiten Bush-Amtszeit skizziert hatte: Der Präsident wolle den Pensionären bis zu 45 Prozent ihrer Bezüge streichen und schon im Januar die allgemeine Wehrpflicht wieder einführen. "Dem Jungwähler soll hier offensichtlich suggeriert werden, man wolle ihn demnächst in der nächsten Angriffswelle auf Falludscha sterben lassen", lästerte "Times"-Kommentator William Safire. Seit Wochen dementieren jedoch die Republikaner energisch, dass es Kürzungen für Rentner oder Zwangs-Einberufungen zur Armee geben werde. Übel aufgestoßen ist selbst in liberalen Kreisen auch, dass Kerry ohne Not bei einer Frage nach seiner Haltung zur Gleichstellung von Homosexuellen plötzlich vor Millionen Fernseh-Zuschauern die lesbische Tochter von US-Vizepräsident Dick Cheney ins Spiel brachte. Dessen Ehefrau Lynn beschwerte sich wenig später über die Bloßstellung zur besten Sendezeit, Kerry sei "kein guter Mann". Doch auch Gatte Dick zeigt kaum Zurückhaltung, wenn es um den politischen Punktvorteil geht. So wiederholte er zu Wochenbeginn in Ohio eine Schreckensvision für den Fall der Wahl John Kerrys: Dieser sei in seiner Antiterror-Politik nicht stark und konsequent genug, um "die ultimative Bedrohung" für Amerika abzuwenden, nämlich eine Attacke mit einem Atomsprengsatz, einer chemischen oder einer biologischen Massen-Vernichtungswaffe. Kerry schoß wenig später zurück: Wie wolle eine Regierung, die noch nicht einmal für ausreichend Grippe-Impfstoff im Land sorgen könne, denn einen Akt von Bioterrorismus verhindern? Die Kandidaten machen auch nicht vor falschen Hoffnungen halt. So wagte sich der demokratische Vizepräsidentschafts-Bewerber John Edwards kurz vor dem überraschenden Tod von "Superman"-Darsteller Christopher Reeves mit der These an die Öffentlichkeit, Patienten mit scheinbar irreparablen Wirbelsäulen-Verletzungen wie Reeves könnten bald wieder herumlaufen, würde es nicht "Bushs Verbot für embryonale Stammzellen-Forschung geben". Verschwiegen wurde dabei allerdings, dass es kein "Verbot" in den USA gibt, sondern sich lediglich die staatliche Förderung auf vorhandene Stammzellen-Bestände embryonaler Herkunft beschränkt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort