Machtbewusster Harmonie-Mensch

MAINZ. Populär und pragmatisch, bürgernah und bodenständig: Mit der ihm eigenen Mischung von Machtbewusstsein und Gemütlichkeit hat es der Südpfälzer Kurt Beck verstanden, sich in zehn Jahren als Ministerpräsident Respekt und Anerkennung über die eigenen Reihen hinaus zu verschaffen.

Rund vier Prozentpunkte Vorsprung in den Umfragen müssten es schon sein, wolle man 2006 erfolgreich gegen die SPD in die Landtagswahl ziehen, so räumen führende rheinland-pfälzische Christdemokraten unter der Hand ein. Selbst der politische Gegner gesteht dem Mainzer Regierungschef Kurt Beck inzwischen einen beachtlichen Popularitäts-Bonus zu, mit dem der 55-Jährige auch Rückstände seiner Partei in der Wählergunst zumindest auf Landesebene ausgleichen kann. Stünde der Ministerpräsident in einer Direktwahl zur Abstimmung, bräuchte sich der Genosse zehn Jahre nach Amtsantritt selbst im konservativen Rheinland-Pfalz keine Sorgen zu machen, denn seine Sympathiewerte sind über Parteigrenzen hinweg verteilt. "Nah bei den Menschen" will der gelernte Elektromechaniker sein. Das Motto ist bei ihm mehr Überzeugung als nur Programm. Spöttische Bemerkungen, er ziehe allzu oft "segnend durch die Weinberge" fechten ihn nicht an. Beck macht sich "gern auf den Weg, wenn es denn etwas nützt". Den direkten Draht zum Bürger findet der frühere Personalvertreter bei der Bundeswehr schnell, egal ob ein Besucher in seiner regelmäßigen Sprechstunde im heimischen Steinfeld ein Anliegen vorbringt oder eine Unternehmer-Delegation in der Staatskanzlei über Geschäfte mit Fernost spricht.Furioser Start: Ministerien abgeschafft

Sein Start als Nachfolger von Rudolf Scharping am 26. Oktober 1994 war furios und wirbelte die Gemütslage mancher Parteifreunde durcheinander: Ministerien schaffte er ab, darunter die Ressorts für Frauen, das Scharping mal gerade drei Jahre vorher ins Leben gerufen hat, und für Landwirtschaft. Zwei umstrittene Minister zog Beck kurzerhand aus der Schusslinie. Der Weinfreund und Genießer der pfälzischen Küche verschaffte sich damit schnell Respekt bei allen, die sein Streben nach Harmonie und Konsens mit schlichter Gutmütigkeit verwechselten. "Man muss wissen, wer dirigiert und wer die erste Geige spielt", stellte er zur Rollenverteilung klar. Beck gilt als Schaffer, der im Amt erheblich an Profil und Anerkennung gewonnen hat. Große Visionen sind allerdings nicht seine Sache. Im Umgang mit dem Koalitionspartner FDP ließ er sich nie auf ideologische Kämpfe ein, was ihm des öfteren zwar Murren an der eigenen Basis bescherte, ihn jedoch nicht sonderlich beeindruckte. Grundüberzeugungen müssen immer auch praxistauglich sein, so das Credo des traditionellen Sozialdemokraten. Unbestreitbare Erfolge kann er in der Konversionspolitik vorweisen. Trotz des Abzugs zehntausender US-Soldaten gab es viele neue Jobs an umgebauten Standorten wie dem Flughafen Hahn, in Bitburg, Kaiserslautern oder Zweibrücken. Eine bundesweite Vorreiterrolle nimmt Rheinland-Pfalz seit 2002 bei der Einführung von Ganztagsschulen ein. Doch die Amtszeit ist auch gekennzeichnet von einer rasant gestiegenen Verschuldung. Um den anstehenden Doppelhaushalt 2005/2006 verfassungsgemäß zu finanzieren, muss Landesvermögen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro verkauft werden. Dem bullige Südpfälzer, der nach eigenen Angaben Freund und Feind so leicht "nichts vergisst" und auch aufbrausend sein kann, wird von Ministerpräsidenten-Kollegen wie Spitzengenossen ein besonderes Talent als Vermittler bescheinigt. Selbst die SPD-Linke und frühere Juso-Bundesvorsitzende Andrea Nahles aus der Eifel beschreibt ihn als Harmoniemenschen, wenn gleich sie zu seinen gefürchteten Temperamentsausbrüchen feststellte: "Das ist ein Vulkan. Ein Buddha mit Sprengzündung."Entscheidende Größe auch im Bund

Bei der Durchsetzung der Steuerreform spielte Beck bundespolitisch ebenso eine mit entscheidende Rolle wie bei der Verhinderung der Ausbildungsplatzabgabe. Als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder gilt er als eine der entscheidenden medienpolitischen Größen nicht nur in der Gebührendiskussion. Im November 2003 rückte Beck zum stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden auf. Zwar fällt auch sein Name, wenn wieder einmal über Regierungsumbildungen an der Spree spekuliert wird, doch der Mainzer Landesfürst gibt sich bodenständig. Er habe keinerlei Neigung, nach Berlin zu wechseln, heißt es dann. Angesichts der Scharmützel, die sich die CDU im Land bei der Findung eines geeigneten Herausforderers liefert, kann er ohnehin mit großer Zuversicht weiter auf seine Perspektiven an Rhein und Mosel bauen.

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