Magische Momente, enttäuschte Erwartungen

TRIER. Wenn die Landesgartenschau 2004 am Sonntag schließt, liegen sechs außergewöhnlich spannende Monate hinter den Machern, den politisch Verantwortlichen und dem Publikum. Und doch werden am letzten Tag alle froh sein, dass es vorbei ist.

Bald wird er einsam sein, der Turm Luxemburg. Im Sommer, an den wenigen richtig schönen Tagen, pilgerte das Publikum scharenweise zu dem neuen Wahrzeichen des Petrisbergs, die einen, um über die "Rostlaube" zu lästern, die anderen, um die originelle, mutige Architektur und den atemberaubenden Ausblick zu genießen. Am schönsten ist der Turm Luxemburg im Dunkeln. Da kauert er wie eine Raubkatze im Hang, und die gelbe Beleuchtung verleiht dem rostigen Überzug einen edlen Schimmer. In den Genuss dieses Anblicks sind freilich nur wenige gekommen, denn in den Abendstunden waren es allenfalls Besucher-Rinnsale, die sich auf dem riesigen Gelände verloren.Der schönste Ausblick Triers

Aber er wird bleiben, der Turm - hoffentlich, allen Sparzwängen zum Trotz, inklusive der nächtlichen Illumination. Und das Wasserband wird bleiben, samt den hübschen Häusern, die an die alte Hafengracht in Amsterdam erinnern. Und die herrlichen Wasserspiel-Anlagen für Kinder werden bleiben, die Skater-Bahn und das Lotto-Forum, die Open-Air-Location mit dem schönsten Ausblick Triers. Bleiben werden auch Erinnerungen an "magische Momente". Tausende unterwegs im dunklen Wald rund ums Franzensknüppchen, geleitet von Hexen und Zauberern, mit traumhaften Bildern und fantasievollen Gestalten. Die stimmige Eröffnungsfeier. Die prächtigen Wechsel-Ausstellungen mit reichhaltiger Blumen- und Pflanzenpracht. Das spektakuläre Gastspiel der Performance-Gruppe aus Ascoli Piceno. Die himmlische Show der Ballonfahrer über den Dächern der Stadt. Und, und, und. Schade, dass vieles davon nicht annähernd das Publikum fand, das es verdient hätte. Die Trierer blieben misstrauisch, ausgerechnet gegenüber dem Kulturprogramm der "Kulturgartenschau". Veranstaltungen, die in der Stadt eine Bank gewesen wären, floppten auf den Höhen des Petrisbergs. Vielleicht war es der Overkill von 3000 Ereignissen, die man zum Start stolz annonciert hatte. Vielleicht war es aber auch nur das angeborene Beharrungsvermögen des einheimischen Publikums, das meistens ein, zwei Jahre braucht, um Neuerungen zu akzeptieren - zu lang für die Gartenschau. Familien taten sich weniger schwer mit dem innovativen Angebot. Kein schönerer Platz auf der ganzen LGS als die Bank oberhalb der Wasserspiele, wo sich Hundertschaften von kleinen Gartenschau-Fans stundenlang in Badedress oder Pampers tummelten, Pumpen betätigten, Schaufelräder antrieben. Kluge Eltern - und spätestens ab dem zweiten Besuch gehörte man dazu - versäumten nie, ein Ersatzklamotten-Sortiment bereitzuhalten. 50 Meter weiter, bei der regelmäßig frequentierten Skater-Bahn, waren Heftpflaster und Verbandsmull unverzichtbare Accessoirs. Aber wo bleibt das Grün? Und die Blumen? So schrie die halbe Stadt, vorrangig jene Hälfte, die den Weg auf den Petrisberg nie gefunden hatte. Die anderen setzten sich einfach mal mitten rein in den farbenprächtigen Wechselflor rund um das Wasserband, oder in den Rosenvergleich, oder in die alten Pferdeställe, wo die Exoten lockten. Die Peetchestreter-Fraktion hätte freilich lieber mehr praktische Lebenshilfe für Schrebergärtner gesehen - aber so war die Gartenschau nie konzipiert. Freilich hätten sich die Gartenschau-Macher auch manche Diskussion vom Leib halten können, wäre es ihnen irgendwann gelungen, thematisch getrennte Pfade auf dem monumentalen Gelände auszuweisen und sie dem Publikum mit einfachen Mitteln wie separaten Gratis-Führern für verschiedene Zielgruppen nahe zu bringen. Dann wären nicht so viele Besucher planlos über die Riesen-Fläche gelaufen. Aber das Abstellen erkannter Fehler überforderte das entschieden zu klein dimensionierte LGS-Team. Die bis zur Besinnungslosigkeit rödelnde Truppe hatte alle Hände voll zu tun, den Betrieb am Laufen zu halten. Die Nerven lagen blank, Kritik von außen wurde als Miesmacherei empfunden. Ein professionelles lokales Marketing, das die Kommunikation mit den Besuchern aus der Region organisiert hätte, existierte nicht. Die Macher und die Verantwortlichen im Hintergrund hatten sich zu sehr darauf verlassen, dass sich ihre gute Arbeit und ihr gelungenes Projekt vor Ort schon von selbst verkaufen würden. Als man merkte, dass diese Rechnung nicht aufging, da war das Image bei einem Teil der potenziellen Besucher schon irreparabel beschädigt. Den Hauptanteil an der letztlich enttäuschenden Besucherresonanz hatte freilich Triers Stadtpatron Petrus. Nicht einmal so sehr wegen der üppig bemessenen Regentage, die er zum Wohl der Bepflanzung, aber zum Schaden der Kasse sandte. Vor allem die empfindliche Kühle verdarb die Stimmung. Wer angesichts der vielen hochkarätigen Veranstaltungen im Lotto-Forum wenigstens eine erwischte, bei der er sich nicht warmbibbern musste, gehörte schon zu den Privilegierten.Heroischer Kampf mit den Unbilden der Witterung

Unvergessen die tapferen Luxemburger, die an "ihrem" Wochenende der Witterung trotzten wie einst Asterix den Römern. Heroisch der Kampf des städtischen Orchesters mit frostgefährdeten Instrumenten. Bewundernswert der Mut jener Riesenrad-Rundfahrer, die sich bei beißender Kälte den Wind durch Mark und Bein pfeifen ließen, um wenigstens einmal den phänomenalen Blick über das Moseltal zu genießen. Aber so recht vergnüglich war das alles nicht. Dafür gab es als Ausgleich ein paar traumhafte Abende im Biergarten, garniert mit Jazz für die Ohren und Beach-Volleyball für die Augen. Auch so ein Erlebnis, das man sich häufiger gewünscht hätte. Was bleibt unterm Strich: Ein musterhaft saniertes Gelände, ein neuer, attraktiver Stadtteil, ein Naherholungsgebiet für alle Bürger der Stadt. Und das an einer Stelle, wo jahrzehntelang Brachlandschaft dominierte. Die Wette gilt: Man wird noch in Jahren zwischen Turm Luxemburg und Franzensknüppchen spazieren gehen und von der Zeit schwärmen, da dieses Gelände für die Trierer erschlossen wurde. Und von den Malessen der Gründertage wird dann niemand mehr reden.

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