Mammut-Prozess vor dem Ende

TRIER. (DiL) Einer der längsten Prozesse in der Trierer Justizgeschichte geht heute am 77. Verhandlungstag zu Ende. Die Staatsanwaltschaft will den 42-jährigen Stefan B. wegen zahlreicher gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr für sieben Jahre hinter Gitter schicken, die Verteidigung plädiert auf Freispruch.

Seit September 2003 versucht die 1. Große Strafkammer am Trierer Landgericht, Licht in eine spektakuläre Unfallserie zu bringen. 18 Mal soll der Kfz-Sachverständige Stefan B. Unfälle im Trierer Straßenverkehr bewusst provoziert haben, um hinterher Geld von der Versicherung zu kassieren. Die Unfälle als solche sind unbestritten, die Polizei hat sie in den meisten Fällen dokumentiert. Offen ist die Frage, ob es sich um eine schwer fassbare Anhäufung von Zufällen handelt oder um ein systematisches Vorgehen des Angeklagten, wie die Staatsanwaltschaft vermutet. Ankläger Arnold Schomer ist davon überzeugt, dass B. an schwierigen Kreuzungen und gefährlichen Stellen nur darauf gelauert hat, die Fehler anderer Autofahrer auszunutzen. Was die Sache kompliziert macht, ist der Umstand, dass das Gericht nicht aus der Häufung allein auf die Schuld des Angeklagten schließen kann. Es muss in jedem Einzelfall die vorsätzliche Straftat nachweisen. So hat man fast zwei Jahre verhandelt, Fall für Fall, mit einer Unzahl von gutachterlichen Stellungnahmen und mit Zeugenaussagen, die dadurch erschwert wurden, dass die Vorgänge teilweise bis zu acht Jahre zurückliegen. Der Angeklagte hat alle verfahrenstechnischen Möglichkeiten ausgenutzt, um sich gegen die Anklage zu wehren. Unzählige Beweis- und Befangenheitsanträge, Dienstaufsichtsbeschwerden, Anzeigen gegen Zeugen. "Exzessiv und missbräuchlich" nennt der Staatsanwalt die Prozess-Strategie. Verteidiger Hermann-Josef Düpré hält dagegen: Die Anklage mache Stimmung gegen den Angeklagten, "nur weil er von seinem guten Recht Gebrauch gemacht hat". Ein Einzelfall-Beweis gegen B. sei "nicht gelungen". Dass das Verfahren nun doch vor seinem zweiten Geburtstag zu Ende geht, dürfte mit wachsender Prozessmüdigkeit zusammen hängen. Die Staatsanwaltschaft hat einen Teil der Anklagepunkte zurückgezogen - zu aufwändig erscheint es, sie noch bis zum Ende aufzuklären. Ankläger Schomer reichen die verbleibenden Punkte für einen Strafantrag von sieben Jahren - was die mutmaßlichen Taten des Angeklagten in den Bereich der Schwerstkriminalität rückt. Verteidiger Düpré beantragt einen Freispruch. Beide Plädoyers verzichten darauf, die Einzelvorgänge erneut zu erörtern. Nicht aber der Angeklagte, der sich in seinem Schlusswort noch einmal jedem einzelnen Fall widmet und jede Absicht bestreitet. Über das Wochenende hat sich die Kammer unter Leitung von Richter Albrecht Keimburg Zeit genommen, um über das Urteil nachzudenken. Allein am letzten Verhandlungstag musste das Gericht fast 200 Urkunden verlesen, um sie in das Verfahren einzuführen.

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