Millionen-Geschäft mit ungewissem Ausgang

TRIER. Die Entsorgung des Mülls für die ganze Region Trier ab 2005 bereitet Probleme - und das schon seit Jahren. Ein Rückblick auf die Geschichte eines Millionen-Geschäftes, dessen Ausgang immer noch ungewiss ist:

1993: Die Bundesregierung beschließt die Technische Anleitung Siedlungsabfall (Tasi): Ab dem Jahr 2005 darf kein Müll mehr unbehandelt auf Deponien gelagert werden. Müll soll keine Belastung für künftige Generationen mehr sein. Die Kritik daran: Die Tasi läuft im Prinzip auf die ökologisch umstrittene Verbrennung des Mülls hinaus.1997: Die Kreise Bitburg-Prüm, Daun, Bernkastel-Wittlich, Trier-Saarburg und die Stadt Trier beschließen, die Müllentsorgung ab 2005 für die gesamte Region auf Grundlage der Tasi europaweit und technikoffen auszuschreiben.29. Februar 2000: Die Kreistage beschließen, der Firma Herhof aus dem hessischen Solms-Niederbiel den Auftrag zur Müllentsorgung zu geben. Herhof hat sich als mit Abstand günstigster Bieter erwiesen. Seine Methode ist neu: Der Müll soll getrocknet, dann sortiert werden. Die Reste werden zu hochbrennbarem Stabilat verarbeitet. Die Beschlüsse in den Kreistagen fallen mit klaren Mehrheiten. Nur die Grünen sind energische Gegner der Pläne.9. März 2000: Auch derTrierer Stadtrat beschließt die Auftragsvergabe an Herhof. Auch hier sind die Grünen dagegen. Nach TV -Recherchen gibt es erste Zweifel daran, ob es tatsächlich Abnehmer für das von Herhof produzierte Trockenstabilat gibt. Die Rüdersdorfer Zement GmbH und die "Schwarze Pumpe" in Spreewitz haben - anders als von Herhof angegeben - keine Kapazität zur Verbrennung von weiterem Trockenstabilat. Die Firma Herhof verweist auf einen neuen Abnehmer: die "Gesellschaft zur Verwertung und Vermarktung von Wertstoffen", die sie gemeinsam mit dem Lahn-Dill-Kreis gegründet hat. Dort läuft seit 1997 ein Herhof-Pilotprojekt.28. März 2000: Die Verantwortlichen des Zweckverbandes schließen den Vertrag mit Herhof ab.Juni 2000: Der Zweckverband Abfallwirtschaft für den Raum Trier (ART), in dem Stadt Trier und Landkreis Trier-Saarburg zusammengeschlossen sind, schlägt vor, der Firma Herhof ein Teilgrundstück auf der Mertesdorfer Mülldeponie zu verkaufen.3. Mai 2002: In Mertesdorf wird der Grundstein für die Trockenstabilat-Anlage gelegt. Herhof-Chef Hermann Hofmann kündigt an, die Anlage könne Anfang 2003 den Betrieb aufnehmen. Bis zu 220 000 Tonnen Müll könnten ab 2005 jährlich verarbeitet werden. Gebaut wird die Anlage von einer Projektgesellschaft, die Herhof mit dem Energieversorger "Energie Aktiengesellschaft Mitteldeutschland" (EAM) gegründet hat, um die Investitionssumme von rund 38 Millionen Euro aufzubringen. An der EAM sind mehrere nordhessische Landkreise beteiligt, die ebenfalls Verträge mit Herhof geschlossen haben. Die EAM steckt Presseberichten zufolge über Kredite und Bürgschaften mit rund 70 Millionen Euro in Herhof-Geschäften.November 2002 : Baustopp in Mertesdorf: Herhof bekommt Finanzierungsprobleme, weil die EAM das Interesse am Trockenstabilat-Verfahren verliert. Ein Grund: Der Energieriese Eon hat die Mehrheit an EAM übernommen.Kommunen steigen bei Mittelständler ein

Eon ist selbst im Müllgeschäft tätig, setzt aber auf herkömmliche Müllverbrennung. Für die Fertigstellung der zu 70 Prozent fertigen Mertesdorfer Anlage fehlen rund zehn Millionen Euro. Es gibt eine Ausfall-Bürgschaft gegenüber den Kreisen und der Stadt Trier. Sollte Herhof seinen Entsorgungsvertrag nicht erfüllen, werden zwölf Millionen Euro für den Zweckverband fällig. Bekannt wird außerdem: Entgegen aller Versicherungen kann Herhof noch immer keinen definitiven Abnehmer für das Trockenstabilat präsentieren. Dennoch kündigen die Kreise und die Stadt an, an dem Projekt festzuhalten.1. Januar 2003: Der ART und die Kreise Daun, Bernkastel-Wittlich und Bitburg-Prüm gründen den "Zweckverband Regionale Abfallwirtschaft", der die Interessen der Region gegenüber der Firma Herhof vertreten soll. Vorsteherin wird die Trierer Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch.14. Juli 2003: Nach fieberhaften Verhandlungen hinter den Kulissen beschließen die im Zweckverband zusammengeschlossenen Kreise und die Stadt Trier, eine Besitzgesellschaft für die Mertesdorfer Anlage zu gründen, bei der der Zweckverband die Mehrheit hält. Der Zweckverband will acht Millionen Euro investieren. Beteiligt sind außerdem Herhof und auch wieder die EAM, die Insidern zufolge ihre Bürgschaften für das Trierer und weitere Herhof-Projekte retten will. Herhof soll zudem die Gesellschaft leiten, die die Anlage betreibt und für die Nutzung Pacht an die Besitzgesellschaft zahlen soll. Der Zweckverband knüpft seine Zustimmung zu einem finanziellen Einstieg an die gesicherte Entsorgung des Trockenstabilats. Ähnlich verläuft die Diskussion auch in Nordhessen. Dort warten die Landkreise Hersfeld-Rotenburg, Werra-Meißner, Fulda und Kassel auf die gesicherte Entsorgung. In Mecklar-Meckenbach im Kreis Hersfeld-Rotenburg soll ebenfalls eine Trockenstabilat-Anlage entstehen. Herhof stellt als Abnehmer die Papierfabrik SCA Witzenhausen vor, die für 80 Millionen Euro ein neues Heizkraftwerk bauen und auf den Verbrauch der Trocken-Pellets ausrichten will.Es läuft die letzte Frist

Bisher nutzt SCA Erdgas - geliefert von EAM. Für das Trockenstabilat müsste Herhof eine Zuzahlung an SCA pro verbrannter Tonne leisten.21. August: Der Aufsichtsrat des weltweit agierenden SCA-Konzerns verschiebt die Entscheidung über den Bau eines Heizkraftwerks. Die Firma sucht einen Investor für den Bau der Anlage. Der Zweckverband gibt Herhof eine letzte Frist: Bis 15. September muss die Firma einen unterschriebenen Vertrag zur Abnahme des Trockenstabilats für 20 Jahre vorlegen. Falls nicht, wird die Zusammenarbeit mit Herhof beendet. Die Zeit drängt, denn das Inkrafttreten der Tasi 2005 rückt immer näher.KOMMENTAR SEITE 2

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