Ministerin stoppt Abschiebung

Bitburg/Mainz · Das Mainzer Integrationsministerium hat die Bitburger Kreisverwaltung angewiesen, einer Familie aus dem Libanon weiter Asyl zu gewähren - obwohl die Behörde das abgelehnt hatte.

Bitburg/Mainz Den 14. Juli vergangenen Jahres wird der Bitburg-Prümer Landrat Joachim Streit nicht so schnell vergessen. An diesem Tag erhielt die Ausländerbehörde seiner Kreisverwaltung eine unmissverständliche Anweisung aus dem Mainzer Integrationsministerium. Es ging darum, die Abschiebung einer siebenköpfigen libanesischen Familie zu stoppen. Das Ministerium sah die von der Kreisverwaltung angeordnete und vom Trierer Verwaltungsgericht bestätigte Ausreisepflicht als unrechtmäßig an. Die Familie wurde daraufhin nicht abgeschoben. Der Fall wird nun zu einem Politikum. Die CDU-Fraktion im Landtag will ihn in der nächsten Sitzung des Integrationsausschusses thematisieren.
Nach Recherchen unserer Zeitung stellt sich der Fall wie folgt dar: Die damals noch vierköpfige Familie reiste am 8. Juli 2002 nach Deutschland ein. Vier Tage später beantragten die beiden Eheleute für sich und ihre beiden Kinder Asyl. Dabei nannten sie einen falschen Namen, gaben an, staatenlos zu sein und in Palästina gelebt zu haben. Tatsächlich stammte die Familie aus dem Libanon. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnte den Antrag ab. Die Familie wurde aufgefordert, auszureisen. Allerdings konnten die Eheleute und ihre beiden Kinder nicht abgeschoben werden, weil die Ausweise fehlten. Drei Jahre später reisten sie freiwillig aus, nachdem die libanesische Botschaft dem Vater ein sogenanntes Laissez-Passer, ein vorübergehendes Ausweisdokument, für Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit, ausgestellt hatte.
Am 10. August 2014 kam die mittlerweile sechsköpfige Familie wieder zurück nach Deutschland, lebte dann im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Die Familie hatte sich davor mehrere Jahre in Italien aufgehalten, dort Asyl beantragt und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Diese berechtigt in der EU lebende Asylbewerber sich auch in Deutschland aufzuhalten, wenn sie nachweisen können, dass sie eine Arbeit haben und das Einkommen fürs Leben reicht. Der Mann legte der Ausländerbehörde der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm einen Einkommensnachweis vor, mit der er belegte, dass er einen festen Job hatte. Die Familie erhielt daraufhin zunächst bis 30. November 2014 eine Aufenthaltsgenehmigung, die dann bis September des folgenden Jahres verlängert wurde. Aus einem Aktenvermerk des Ausländeramtes, der dem TV vorliegt, geht hervor, dass die Familie bei der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung verschwiegen hatte, dass der Mann bereits seit 1. September 2014 arbeitslos war. Die Firma, in der arbeitete, war verkauft worden. Das Arbeitslosengeld reichte nicht aus, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. "Eine Verlängerung hätte bereits zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgen dürfen", heißt es in dem Vermerk.
Im Januar vergangenen Jahres lehnte die Kreisverwaltung daraufhin ab, die Aufenthaltsgenehmigung der Familie zu verlängern. Sie wurde aufgefordert, nach Italien, wo sie zuletzt Asyl beantragt hatte, auszureisen. Die Ausländerbehörde ordnete die Abschiebung an. Einen Einspruch des Mannes dagegen lehnte das Trierer Verwaltungsgericht im Februar vergangenen Jahres ab. Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis sei zu Recht erfolgt, urteilten die Richter und begründeten das damit, dass der Lebensunterhalt der Familie tatsächlich nicht gesichert sei. Allerdings konnte die Familie zunächst nicht abgeschoben werden, da für das fünfte, im Eifelkreis Bitburg-Prüm geborene Kind, kein gültiger Ausweis von der libanesischen Botschaft ausgestellt wurde.
Laut Darstellung der Bitburger Ausländerbehörde hat sich der Mann nach dem Trierer Urteil im Mai 2016 an das rheinland-pfälzische Integrationsministerium gewandt und mitgeteilt, dass er eine neue Arbeit habe und nun den Lebensunterhalt für seine Familie bestreiten könne. Das Ministerium bestätigt das gegenüber unserer Zeitung: "Er hat damit von seinem verfassungsrechtlich verbürgten Petitionsrecht Gebrauch gemacht und hat einen Anspruch auf Befassung mit seinem Anliegen." Die Ausreiseanordnung der Ausländerbehörde war, so das Ministerium in einer Stellungnahme "völlig korrekt und wurde seitens des Ministeriums auch nicht hinterfragt". Allerdings habe es nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts eine "wesentliche Wendung" gegeben. Der Mann habe einen neuen Job gefunden und einen Arbeitsvertrag als Kfz-Lackierer vorgelegt. Nach Darstellung des Ministeriums hat ihm die Ausländerbehörde allerdings untersagt, die Arbeit anzunehmen, weil der Verdienst nicht ausreiche für den erforderlichen Lebensunterhalt. Die Kreisverwaltung beanstandete, dass trotz des Einkommens 19,33 Euro fehlten, um den Bedarf für die siebenköpfige Familie zu sichern. Daher müsse diese ausreisen. "Es ist nicht verhältnismäßig und damit auch nicht zulässig, wegen lediglich marginaler Fehlbeträge die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an langfristig in der EU aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige zu verweigern", heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums. Die Ausländerbehörde sei "mehrfach schriftlich und mündlich auf die bestehende Rechtslage in diesem Fall hingewiesen" worden. Nach einer "beharrlichen Weigerung, der Rechtsauffassung des Ministeriums zu folgen", sei die Behörde vergangenen Jahres angewiesen worden, den Arbeitsvertrag des Mannes der Bundesagentur für Arbeit vorzulegen" und dann die Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Die CDU-Fraktion im Landtag kritisiert, dass sich Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) aus "offensichtlich ideologischen Motiven über eine klare rechtliche Entscheidung" hinwegsetze. Das sei bereits das zweite Mal, dass die Ministerin mit "ihrer Gutsherrenmentalität die Akzeptanz des Asylrechts in der Bevölkerung" gefährde und für "große Frustration in den kommunalen Behörden" sorge, sagt CDU-Abgeordneter Adolf Kessel. Kürzlich hatte es Streit zwischen Spiegel und dem Kreis Bad Kreuznach gegeben, nach dem sie den Fall einer abgeschobenen Armenierin an sich gezogen hat.

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