Mit Pep zu Bürgernähe

MAINZ. Ein Ministerpräsident darf nicht nur Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Er darf die Informationen rund ums Amt auch mit Unterhaltung aufpeppen, um Interesse beim Bürger zu wecken. Zu diesem Tenor kommt der Verfassungsgerichtshof (VGH) bei seiner Ablehnung einer CDU-Klage gegen Ministerpräsident Kurt Beck.

Eine Hüpfburg für die Kinder, Spaß mit der Mainzer Clown-Schule oder ein Erinnerungsfoto am Schreibtisch des Ministerpräsidenten: Es waren nicht nur die Beigaben des Tags der offenen Tür in der Staatskanzlei, die die CDU-Fraktion vor mehr als einem Jahr in Wallung brachten. Unter dem Motto "Zu Gast in der Staatskanzlei" lud Ministerpräsident Kurt Beck auch noch just eine Woche vor der Bundestagswahl am 18. September 2005. Freiraum für den Ministerpräsidenten

Für die Union war das Ganze nicht nur eine "reine Unterhaltungsveranstaltung mit Show-Charakter", sondern unzulässige "regierungsamtliche Werbung" im Vorfeld von Wahlen und damit auch ein gewichtiger Verstoß gegen die Chancengleichheit. Mit ihrer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof holte sich die CDU allerdings eine Abfuhr. Die Veranstaltung, die insgesamt 42 500 Euro verschlang, werteten die Richter in einem am Montag veröffentlichten Urteil angesichts eines umfangreichen Informationsangebotes an neun Ständen und Führungen durch das Haus nicht als unzulässige Werbung. Öffentlichkeit im politischen Bereich ist demnach notwendig. Dem Ministerpräsidenten als ranghöchstem Vertreter des Landes billigen sie sogar einen besondern Freiraum zu, um die politische Arbeit transparent zu machen. Damit die ansonsten "eher unspektakulären Aufgaben" der Regierungszentrale der Öffentlichkeit näher gebracht werden können und die Distanz zwischen Bürger und Staat verringert wird, ist im modernen Medienzeitalter auch ein ordentlicher Schuss Unterhaltung im Gesamtprogramm zulässig. Zurückhaltende Öffentlichkeitsarbeit erzwinge keinen Verzicht auf Originalität, heißt es in den Leitsätzen des Urteils. Weil zudem keine eindeutig parteiergreifenden Aussagen getroffen wurden, sieht der VGH auch die Chancengleichheit nicht verletzt. In der Einladung in die rheinland-pfälzische Staatskanzlei können die Richter auch keine Werbewirkung für die Bundestagswahl erkennen. Nicht zuletzt, weil Beck selbst auch nicht zur Wahl stand. Strikte Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen unmittelbar vor Wahlgängen greifen daher nicht so rigoros - zumal der Tag der offenen Tür erheblich langfristiger geplant war als die relativ kurzfristig angesetzte, vorgezogene Bundestagswahl. Erwartungsgemäß sah sich Staatskanzlei-Chef Martin Stadelmaier durch den Richterspruch "in vollem Umfang" bestätigt. Sämtliche Unterstellungen der CDU hätten sich als nichtig erwiesen. Die CDU gewann trotz der Schlappe dem Urteil etwas Positives ab: Es gebe nun Rechtssicherheit und Grenzen bei der Öffentlichkeitsarbeit. Zwar ist das Verfahren vor dem Gerichtshof kostenfrei. Der Anwalt für das Land, der renommierte Mainzer Staatsrechtler Professor Friedhelm Hufen, ist laut Stadelmaier allerdings "nicht ganz billig". Die CDU muss an ihren Rechtsvertreter Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag, und an den früheren Kieler CDU-Landtagsabgeordneten Trutz Graf Kerssenbrock einen "Freundschaftspreis im unteren fünfstelligen Euro-Bereich" zahlen.

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