"Mörder kommen schneller raus"

TRIER. Weil er Kunden übers Ohr gehauen haben soll, muss sich seit gestern ein ehemaliger Unternehmensberater aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 45-jährigen Familienvater mehrfachen Betrug und Untreue vor.

Friedhelm K. ist außer sich vor Wut. "Da sitzen Leute im Gefängnis neben mir, die haben Kinder umgebracht", raunzt der neben seinem Verteidiger auf der Anklagebank sitzende Mittvierziger den Staatsanwalt an, "die müssen nicht so lange sitzen wie ich." Der ehemalige Unternehmensberater ist sauer, weil sich Oberstaatsanwalt Hans-Peter Hemmes seiner Meinung nach nicht an eine Absprache gehalten hat. Deren Inhalt: Friedhelm K. zieht zwei Berufungen gegen ältere Urteile zurück, wenn die Staatsanwaltschaft im Gegenzug Verfahren einstellt. So etwas nennt man Prozessökonomie, spart Zeit, Geld und Nerven bei allen Beteiligten. Trotzdem sitzt Friedhelm K., wegen Betrügereien bereits mehrfach vorbestraft, jetzt wieder auf der Anklagebank. Es seien "zu meiner Enttäuschung" neue Anschuldigungen dazugekommen, rechtfertigt der Oberstaatsanwalt sein Vorgehen. Das sei dann doch "des Guten zu viel" gewesen. Aber Friedhelm K. ist zunächst nicht zu beruhigen. "Jeder Kinderschänder kommt nach drei Jahren in Therapie", sagt er, "und ich bekomme acht Jahre." 50 Minuten dauert das über zehn Meter Entfernung zwischen Anklage- und Anklägerbank geführte ungewöhnliche Zwiegespräch bereits, da meldet sich genervt die bis dato artig mit ihren drei Kollegen in einem Nebenraum wartende Vorsitzende Richterin Gabriele Neuberg-Krey zu Wort und läutet die Kaffeepause ein: "Wenn die uns so lange warten lassen..." Eine gute halbe Stunde später, Staatsanwalt, Angeklagter und dessen Verteidiger Marco Kissel haben in der Kaffeepause unter sechs Augen "weiterverhandelt", kann der Prozess endlich losgehen. Die Hauptvorwürfe: Der Unternehmens- und Wirtschaftsberater Friedhelm K. soll vor einigen Jahren mehrere Kunden übers Ohr gehauen haben, in dem er deren Gelder nicht wie zugesichert mit zwölf Prozent verzinst anlegte, sondern größtenteils in die eigene Tasche steckte. Das jedenfalls glaubt die Staatsanwaltschaft. Außerdem soll sich der selbst hoch verschuldete Angeklagte ohne Erlaubnis des Landes als außergerichtlicher Schuldenregulierer betätigt haben. Die ihm für die Gläubiger anvertrauten Gelder der Schuldner flossen laut Anklage zumindest teilweise aufs Konto des Unternehmensberaters. Der 45-Jährige will nun bis zum nächsten Verhandlungstag am Mittwoch in zwei Wochen überlegen, ob er ein Geständnis ablegt. Vorteil für ihn: ein wahrscheinlich deftiger "Rabatt" bei der absehbaren Gefängnisstrafe. Gesteht Friedhelm K. nicht, wird's wohl ein langwieriges Verfahren.

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