Nachschlag nicht ausgeschlossen

Weil er mindestens acht seiner 14 eigenen Kinder sexuell missbraucht hat, muss ein 54-jähriger Mann aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm für zehn Jahre ins Gefängnis. Ob er danach auf freien Fuß kommt, ist noch keineswegs sicher.

 Muss für zehn Jahre hinter Gitter: der verurteilte Kinderschänder Sergej N. TV-Foto: Friedemann Vetter

Muss für zehn Jahre hinter Gitter: der verurteilte Kinderschänder Sergej N. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Den vielleicht schwierigsten Job hatte Alexander Pochilko. Fast einen halben Tag saß der 32-jährige Trierer Verteidiger am Donnerstagmittag bei seinem Mandanten im Untersuchungsgefängnis, bis der Rechtsanwalt den Angeklagten endlich davon überzeugt hatte, am zweiten Prozesstag ein umfassendes Geständnis abzulegen. Danach hatte es zunächst nicht ausgesehen. Zwar wollte der 54-jährige Sergej N. von vorneherein einen Teil der ihm zur Last gelegten Verbrechen an seinen eigenen Kindern einräumen. Vor allem die länger zurückliegenden Taten allerdings stritt der 14-fache Familienvater zunächst ab.Kein langer, quälender Prozess

Ein langer, quälender Prozess vor dem Trierer Landgericht drohte. Vorsorglich hatte der Vorsitzende Richter Albrecht Keimburg schon einmal neun Verhandlungstage terminiert. Neun Prozesstage, die wahrscheinlich besonders für die als Zeugen geladenen missbrauchten Kinder des Angeklagten zur Tortur geworden wären. Auge in Auge hätten sie im Gerichtssaal ihrem Vater und langjährigen Peiniger gegenübergesessen, wären vom vierköpfigen Gericht und den anderen Prozessbeteiligten zu Details der abscheulichen und bis zu eineinhalb Jahrzehnte zurückliegenden Missbräuche befragt worden. Sergej N. hat dieses unwürdige Schauspiel seinen Kindern und auch der eigenen Ehefrau erspart. Indem der arbeitslose Kraftfahrer am zweiten Verhandlungstag sämtliche Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zugab, gab es bereits gestern und damit eineinhalb Monate früher als geplant ein Urteil. 15 Jahre wäre die Höchststrafe gewesen für die Sergej N. zur Last gelegten Verbrechen, zehn Jahre sind am Ende herausgekommen. Ohne das Geständnis, das laut Vorsitzendem Richter Albrecht Keimburg "an Deutlichkeit nicht zu überbieten war", wäre die Strafe wohl um ein, zwei Jahre höher ausgefallen. Doch auch so ist keineswegs sicher, dass der zucker- und asthmakranke Mann nach zehn Jahren oder bei guter Führung etwas früher aus der Haft entlassen wird.Auf Antrag von Staatsanwalt Sebastian Jakobs ordnete die Kammer den Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung an. Einige Monate vor der geplanten Entlassung Sergejs wird es eine neue Hauptverhandlung geben, in der sich das Gericht einzig und allein mit der Frage befassen wird, ob der Verurteilte weiter eine Gefahr für die Allgemeinheit ist. Wird dies von Sachverständigen bejaht, bleibt der dann über 60-Jährige für weitere Jahre im Gefängnis."Nur die Spitze des Eisbergs"

Ungeklärt blieb auch am Freitag die Frage, wie der im Januar 1991 mit Ehefrau und damals neun Kindern aus der Russischen Föderation nach Deutschland übergesiedelte Mann über eineinhalb Jahrzehnte hinweg seine Töchter und Söhne missbrauchen konnte, ohne dass es jemandem auffiel oder sich eines der Opfer Dritten anvertraut hätte. Erst im vorigen Jahr soll einer der Söhne der ahnungslosen Mutter von dem Missbrauch durch den Vater erzählt haben. Einige Zeit später kam es deshalb zu einem lautstarken Streit in der Familie, in dessen Verlauf sich der mit über zwei Promille alkoholisierte Vater mit einem Messer den Arm aufschnitt. Der Selbsttötungsversuch schlug fehl, den alarmierten Polizisten gestand Sergej N. die jahrelangen Verbrechen an seinen Kindern. Wahrscheinlich hat der untersetzte, bullige Mann nicht "nur" acht seiner 14 Kinder missbraucht, sondern mindestens elf, vielleicht sogar alle. Darauf deuten Angaben hin, die der Angeklagte selbst im Gespräch mit der psychiatrischen Gutachterin gemacht hat. "Wahrscheinlich", sagte gestern der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung, "haben wir hier nur die Spitze des Eisbergs verhandelt."

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