Nittel-Mord: Zeugin erschüttert Alibi

NITTEL. Wende im Nitteler Mordprozess: Eine Zeugin hat am Mittwochnachmittag das Alibi des wegen Mordes an seiner Ehefrau angeklagten Thomas B. erschüttert. Auch Blutspuren in der Garage seines Anwesens belasten den 45-Jährigen.

Es ist ein ungewöhnliches Bild, das sich den Nittelern am Mittwochmorgen bietet. Um kurz nach 9 Uhr biegt ein grüner Reisebus um die Ecke, an der Tür ein Schild: "Öffentliche Sitzung." Das Trierer Landgericht ist auf Tour in die Provinz - doch nicht zu einem Betriebsausflug. Die Erste Schwurgerichtskammer ist samt sechs Richtern, Staatsanwalt, Sachverständigen und einer Handvoll Justizbediensteter in den Moselweinort gefahren, um sich ein Bild vom vermeintlichen Tatort zu machen. In einer in ein weißes Doppelwohnhaus in der Abswies integrierten Garage soll Thomas B. vor vier Monaten seine sieben Jahre jüngere Ehefrau brutal vergewaltigt und anschließend bewusstlos geschlagen haben. Laut Staatsanwalt Eric Samel transportierte er die Frau dann im Kofferraum ihres Wagens in ein Waldstück bei Wellen, wo er sie ermordet haben soll. Der Gemeinde-Arbeiter bestreitet die Tat, will sich am Abend des Verschwindens seiner Frau ständig zu Hause aufgehalten haben. Ein selbst verpasstes Alibi, das im Wesentlichen von der 74-jährigen Mutter des angeklagten gestützt wird. Seit gestern Nachmittag allerdings ist das Alibi so löchrig wie ein Schweizer Käse."Was macht der Tom denn hier?"

Ausgerechnet eine Zeugin, die "Tom", wie sie Thomas B. nennt, eigentlich entlasten wollte und deshalb im November zur Polizei ging, ist nun seine Hauptbelastungszeugin. Die 38-jährige Unternehmerin aus Nittel hat den Angeklagten nach eigenen Angaben an jenem Abend im Dorf gesehen. Als sie um kurz vor 19 Uhr von der Arbeit nach Hause gefahren sei, sei Tom ihr zu Fuß entgegen gekommen. Er habe zur Seite weggeschaut, "so als ob er etwas suchen würde", sagt die Frau bei dem Ortstermin. Ob eine Verwechslung möglich sei, will Verteidiger Otmar Schaffarczyk wissen, doch die resolute Zeugin schüttelt den Kopf: "Es gibt keinen Zweifel. Ich habe mir noch gedacht, das ist der Tom, was macht der denn hier." Szenenwechsel. In die Garage des Anwesens der Familie B. erläutern Kripobeamte am Morgen Spuren, die sie dort nach der Tat gesichert haben - Blutspuren in erster Linie. "Rötliche Antragungen", wie es die Polizisten in ihrem Behördenlatein nennen, fanden sich gleich an mehreren Stellen: auf dem gefliesten Garagenboden, an einem Waschbecken, an der Waschmaschine im Keller, an einer Gummimatte, an den Pedalen des Autos der Frau. Mit einer besonderen Vorgehensweise, dem so genannten Luminol-Verfahren, können die Experten Blutspuren selbst dann noch sichtbar machen, wenn sie mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen sind. Das Mittel wird aufgesprüht und leuchtet - bei Erfolg - lila. "Regelrechte Schleifspuren" seien so nach der Tat in der Garage nachgewiesen worden, sagt gestern der zuständige Ermittler Alwin Stern. Blutspuren auch im Kofferraum des Autos der Frau, in dem die Bewusstlose nach Wellen transportiert worden sein soll. Auch zwei Handabdrücke des Angeklagten fanden die Kripoleute an der Hinterseite des mit einer Staubschicht überzogenen Wagens. Als Thomas B. am Mittwochmorgen vor seinem Haus von drei Beamten aus der Grünen Minna geholt wird, ist ihm äußerlich keine Regung anzumerken. Wie ein zufällig vorbeikommender Unbeteiligter steht er vor seiner Garage, als das Gericht die Zeugen vernimmt. Kann jemand an einem solchen Ort derart gelassen sein - ob er nun der Täter ist oder nur ein zu unrecht Inhaftierter? Auch im Wellener Wald, dem Fundort der skalpierten Leiche, wirkt Thomas B. teilnahmslos. Stumm steht er da, mit einer Hand an einen Justizbediensteten gefesselt. Hier im Wald soll er seine Frau getötet und dann zu Fuß nach Hause gelaufen sein. Das Gericht geht den kürzesten Weg ab: eine gute halbe Stunde für drei Kilometer auf schneeglatten Wegen. Der Prozess geht heute weiter.

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