OB-Wahl: Böhrs letzte Niederlage

TRIER. Bis vor Kurzem ging in der Trierer CDU nichts ohne den ehemaligen Landespartei- und Fraktionschef Christoph Böhr. Auch bei der Nominierung des Oberbürgermeisterkandidaten Ulrich Holkenbrink war es vor allem Böhr, der sich für den CDU-Kreisvorsitzenden stark machte. Kaum verwunderlich, dass nach dem Wahldebakel am Sonntag Kritiker jetzt von der letzten großen Niederlage Böhrs sprechen.

"Was macht eigentlich Christoph Böhr?" Seit sich die langjährige Nummer eins der rheinland-pfälzischen CDU nach der mit Glanz und Gloria verlorenen Landtagswahl im Mai von allen Spitzenämtern getrennt hat, ist es ruhig geworden um den 52-jährigen Trierer. Zwar sitzt Böhr immer noch im Landtag. Doch hat er sich dort seit Beginn der Legislaturperiode von der ersten in die letzte Reihe zurückgezogen - und erinnert damit unfreiwillig ans Ende der politischen Karriere von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl im Bundestag."Nachklang einer verkorksten Ära"

"Was macht eigentlich Christoph Böhr?", haben sich im Trierer Oberbürgermeister-Wahlkampf auch viele CDUler gefragt, die vor allem an Wochenenden in der Fußgängerzone und anderswo stundenlang für ihren Kandidaten Ulrich Holkenbrink die Werbetrommel rührten. Der Amtsvorgänger des Trierer CDU-Vorsitzenden aber glänzte durch Nichtanwesenheit, ließ sich nur am letzten Samstag auf dem Hauptmarkt einmal kurz blicken - "Böhr konnte ja schlecht als Wahlverlierer dem OB-Kandidaten zur Seite springen", meint der Trierer Politikprofessor Dr. Axel Misch.

Dabei war es maßgeblich der seinerzeit noch amtierende Landes- und Fraktionsvorsitzende, der sich im Spätsommer vorigen Jahres für einen CDU-Spitzenkandidaten Ulrich Holkenbrink stark gemacht hatte und damit den Grundstein legte für das Wahldebakel am Sonntag. Unvergessen Böhrs Ausspruch auf dem Holkenbrink-Nominierungsparteitag Ende Oktober: "Heute stehen wir vor einer Entscheidung von großer Tragweite. Wir müssen den Grundstein legen für eine neue Ära."

Holkenbrink wurde zwar mit großer Mehrheit gewählt (86 Prozent). Doch schon damals waren viele Christdemokraten insgeheim der Meinung, mit dem falschen Kandidaten ins Rennen zu ziehen. Die personelle Alternative, Triers Sozialdezernent Georg Bernarding, war der Partei "zu eigenständig", andere Namen wie die Binger Oberbürgermeisterin Birgit Collin-Langen wurden zwar gehandelt, aber nie ernsthaft in Erwägung gezogen.

Warum sich ausgerechnet der Intellektuelle Christoph Böhr für den "herzensguten Kerl Ulrich Holkenbrink" (Triers OB Helmut Schröer) stark machte, bleibe "ein Rätsel", meint auch Axel Misch. Dementsprechend hart fällt das Urteil des Trierer Politikprofessors nach der verlorenen OB-Wahl aus: "Das war der letzte Nachklang einer verkorksten Ära Böhr. Er hat die Oberbürgermeisterwahl richtig vermasselt."

Merklich gelöst und gut erholt

Zumindest am Wahlabend ließ sich Christoph Böhr dann doch blicken. Relativ spät kam der 52-Jährige in die CDU-Geschäftsstelle in der Seizstraße, wo sich bereits rund 50 Holkenbrink-Anhänger versammelt hatten. Statt der geplanten Siegesfeier war kollektives Trauern angesagt - für den immer noch amtierenden CDU-Bundesvize inzwischen ein gewohntes Bild.

Christoph Böhr mag an diesem Abend im Kreise seiner Trierer Parteifreunde womöglich als Einziger gewusst haben, wie sich Wahlverlierer Ulrich Holkenbrink jetzt fühlen muss. Auch der einstige JU-Bundesvorsitzende Böhr hat in seiner mehr als 35-jährigen Parteikarriere bei Kandidaturen oft gewonnen und später verloren, bis er nach der letzten dicken Schlappe die Flinte ins Korn warf.

Christoph Böhr hatte am Abend der rheinland-pfälzischen Landtagswahl seinen Rücktritt noch nicht erklärt, da meldete sich mit Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus bereits der erste Parteifreund zu Wort und erhob Anspruch auf den Posten des Trierers als CDU-Bundesvize. So gnadenlos geht es mitunter in der Politik zu, die auf die Hauptakteure wie eine Droge wirken kann, sagen Kritiker.

Wenn das stimmt, ist Christoph Böhr gerade auf einer Art Entzug. Zwar sitzt er noch als Abgeordneter im Mainzer Landtag. Doch dass der promovierte Philosoph auch diesem Gremium nach bald 20-jähriger Mitgliedschaft demnächst den Rücken kehren wird, gilt als sicher. Über Böhrs vermeintlich neuen Job gibt es derweil jede Menge Spekulationen. Mal ist von einem Posten an der Spitze der Konrad-Adenauer-Stiftung die Rede, mal von einer herausgehobenen Position bei der Bertelsmann-Stiftung, mal von einer Vordenker-Stelle in der CDU-Parteizentrale. "Er hat noch nichts", behaupten andere.

Böhr selbst schweigt zu all den Gerüchten. Und selbst enge Weggefährten wissen nur von "einigen Optionen", über die Christoph Böhr derzeit angeblich nachdenke.

Ganz nebenbei scheint der von seinen Kritikern oft wenig freundlich als Berufspolitiker betitelte Böhr zu bemerken, dass es auch ein Leben außerhalb von Partei und Politik gibt. "Er schaut jetzt öfter mal vorbei, ist merklich gelöst und macht einen richtig erholten Eindruck", sagt ein Trierer Geschäftsmann, der Böhr schon lange kennt.

An der neuen Gelassenheit des ehemaligen CDU-Landeschefs dürfte auch seine letzte verlorene Wahl nichts mehr ändern.

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