Offen und mittendrin

! TRIER. Ab sofort residiert die Trierer Gerichtsbarkeit wieder komplett an ihrem angestammten Platz in der Justizstraße. Für sechs Millionen Euro wurden wesentliche Teile des Gebäudekomplexes von Land- und Amtsgericht runderneuert. Die zweijährige Bauzeit glich einer Operation am offenen Herzen der Justiz.

"Ich bin froh, dass wir es hinter uns haben." Landgerichtspräsident Wolfgang Krämer macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Als der Jurist Ende 2002 seinen Job in Trier antrat, "erbte" er das Mammut-Sanierungsvorhaben im Trierer Justizgebäude gleich mit. "Nicht mehr hinnehmbar" sei der Zustand gewesen, erinnert sich der 57-Jährige. Auch Reporter denken mit Schaudern an überhitzte Verhandlungssäle, stickige Büros, dü-stere Gänge und die miserable Akustik zurück.Frische Farben, schmucke Räume

Wer jetzt durch den sanierten Erweiterungs-Komplex im hinteren Gebäudetrakt zwischen Dietrich- und Böhmerstraße spaziert, hat Mühe, das Gebäude wiederzuerkennen. Frische Farben, vorrangig Gelb- und Grüntöne, schmucke Räume mit Klima-Anlage und Akustik-Bändern: Wenn die Rechtssprechung in diesen Räumlichkeiten so freundlich wird wie das Ambiente, dann brechen gute Zeiten für die Angeklagten an. Letzterer Eindruck wird freilich auf der Stelle korrigiert, wenn man die gleichfalls erneuerten Zellen im Kellertrakt besichtigt, die der zeitweiligen Unterbringung von in U-Haft befindlichen Angeklagten dienen. Kühle Kacheln, fest installiertes Sitzmobiliar Marke "strapazierfähig", Durchreichklappe, dazu eine gepanzerte Türsicherung wie beim Tresor: Da weht mehr als ein Hauch von Knast durch die heiligen Hallen der Justitia. Noch sind die Wände blitzsauber, "aber das wird nicht lange halten", ahnt der Präsident. Ein bisschen Abschreckung, daraus macht er keinen Hehl, darf ruhig sein. Aber nicht in den Sitzungssälen. Da sind die einstigen "Hasen-ställe", in denen die Delinquenten und ihre Verteidiger Platz nehmen mussten, durch offene Möbel ersetzt worden. Es dominiert die Sachlichkeit, kein Angeklagter wird schon durch die Sitzordnung eingeschüchtert. Nur der extra erhöhte Stuhl für den Vorsitzenden Richter hat als Relikt aus obrigkeitlichen Zeiten überlebt - vielleicht waren die alten Exemplare noch zu gut erhalten, um sie endgültig einzumotten. Wolfgang Krämer will überall Bilder aufhängen, auch wenn der Etat solcherlei Anschaffungen nicht vorsieht. Im Eingangsbereich finden Bürger künftig eine fest besetzte Info-Theke, einen Bildschirm mit aktuellen Informationen und einen Computer, der es ermöglicht, in öffentliche Verzeichnisse wie Handels- und Vereinsregister oder Insolvenzlisten Einsicht zu nehmen - so weit es Technik und Datenschutz erlauben. Die bürgerfreundliche Anmutung und der Verzicht auf Hoheits-Gepränge sind kein Zufall. Als das Landgericht vor Jahresfrist einen Schüler-Wettbewerb zum Thema Justiz ausschrieb, zeigten die Bilder durchweg Angstgefühle und düstere Assoziationen. Krämer will weg vom diesem Image, seine Justiz ist "offen und mittendrin". Ein Konzept, bei dem er sich vom Landesbetrieb LBB, der das Projekt baulich umgesetzt hat, "blitzsauber unterstützt" fühlt. Mit dem Umzug ist auch für die 100 Mitarbeiter, die zwei Jahre im Ausweichquartier Christophstraße residierten, eine bewegte Zeit zu Ende gegangen. Sie mussten samt Aktenbergen zwei Mal umziehen, eine enorme logistische Leistung. Immerhin durfte der Justiz-Betrieb mit alle seinen Fristen und Formalitäten nicht leiden. "Es ist alles gut gegangen", versichert der Präsident. Geknirscht hat es trotzdem. Unvergessen der "Wanderzirkus" beim Kneipenräuber-Prozess, als acht Angeklagte und 14 Verteidiger nebst Kammer und Staatsanwaltschaft wegen Platzmangels durch Räumlichkeiten in der ganzen Stadt tourten. Das ist nun vorbei. Auch wenn dieser Tage immer noch an allen Ecken und Enden Bohrmaschinen dröhnen. Freitag nächster Woche muss alles fertig sein, dann kommt der Justizminister zur offiziellen Einweihung - ein Schelm, wer dabei an die nahenden Landtagswahlen denkt.

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