Ohne Wasser droht die Detonation

Anders als in Nordrhein-Westfalen hat es in den rund 1100 rheinland-pfälzischen Apotheken bisher keine Notrufe wegen der in trockenem Zustand explosiven Pikrinsäure gegeben. Laut Landesapothekenkammer sind Apotheker seit September 2007 über die möglichen Gefahren informiert.

Trier/Mainz. Zahlreiche Apotheker aus Mönchengladbach setzten kürzlich Notrufe bei der Polizei an, da alte Pikrinsäure in den Beständen vorhanden war. Die Säure wird bei der Qualitätskontrolle eingesetzt und ist unproblematisch, solange sie mit genügend Wasser vermischt ist. Fehlt das Wasser, kann sie explodieren (siehe Hintergrund).

Für Rheinland-Pfalz rechnet Joachim Thoss von der Landesapothekenkammer bisher nicht damit, dass Flaschen mit zu alter Pikrinsäure unter großen Sicherheitsvorkehrungen entsorgt werden müssen. Zwei Mal habe die Kammer seit September 2007 die Apotheker im Land über mögliche Gefahren informiert, sagt Thoss im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund. Rückmeldungen über möglicherweise gefährliche Funde gebe es bisher nicht. Die Säure habe zur Grundausstattung einer Apotheke gehört, teilt der Pharmazeut mit. Inzwischen gebe es ungefährlichere Ersatzstoffe. Und wie sieht es in den rund 140 Apotheken in der Region aus? Lothar Grün, Rats Apotheke Konz: "Auch wir haben Pikrinsäure. Nach der Apothekenbetriebsordnung gehört Pikrinsäure zu jenen Prüfmitteln, die vorrätig sein müssen. Kein Apotheker benötigt den Stoff regelmäßig. Ich habe ihn in 15 Jahren noch nicht benutzt."

Grüns Kollege Theo Hasse von der Diana-Apotheke Zerf hat die TV-Anfrage genutzt, erneut seinen Pikrinsäure-Vorrat zu kontrollieren. Unter anderem sei verzeichnet, wann und wie viel Wasser beigefügt worden ist. "Da kann nichts geschehen", sagt der Apotheker für seinen Betrieb.

Entsorger warnt vor "tickender Zeitbombe"



Und wenn die Säure dann doch eingetrocknet ist? Auch an diesen Fall hat die Apothekenkammer gedacht. "Wir haben mit einem Entsorgungsunternehmen einen Vertrag abgeschlossen und den Apothekern mitgeteilt, an wen sie sich wenden können", sagt Joachim Thoss.

Es handelt sich dabei um die Süd-Müll-Gesellschaft für Abfalltransport und Sonderabfallbeseitigung im pfälzischen Heßheim, bei der sich nach Auskunft von Prokurist Manfred Hery nach dem Aufruf der Landesapothekerkammer ein Apotheker gemeldet hat. "Dem waren jedoch die Entsorgungskosten zu hoch", sagt Hery. Er bezeichnet die ausgetrockneten und in die Jahre gekommenen Behälter mit der Säure als "tickende Zeitbomben". Eine Entsorgung der Flaschen durch die Apotheker ist laut seiner Auskunft problematisch. Schließlich könnte schon die Reibung beim Drehen des Verschlusses Kristalle zur Reaktion und damit zur Explosion bringen.

stichwort

Pikrinsäure: Bei raschem Erhitzen oder durch Initialzündung detoniert Pikrinsäure. Dabei beträgt die Detonationsgeschwindigkeit etwa 7100 Meter pro Sekunde. Das ist rund zehn Prozent schneller als beim Sprengstoff TNT. Bis nach dem Ersten Weltkrieg wurde Pikrinsäure in der Produktion von Granaten verwendet, dann aufgrund der Explosionsgefahr nicht mehr. Gelagert werden soll die Säure unter Beigabe von Wasser. Die Substanz ist giftig. Bereits die Aufnahme von ein bis zwei Gramm kann beim Menschen schwere Vergiftungserscheinungen hervorrufen. (har)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort