Ohne Worte

Politiker reden meist viel - und sagen dabei doch oft nichts. Dass der ein oder andere tatsächlich nichts sagt, zeigt ein Blick in die Protokolle des Bundestags. Rund ein Jahr nach der Wahl im September 2002 waren dort bereits 5042 Reden zum Besten gegeben worden.

Damit trat jeder der 603 Abgeordneten im Schnitt 8,3 mal ans Pult. Doch - wie im richtigen Leben - gibt es auch im hohen Hause Redner und Schweiger. Die beiden fraktionslosen PDS-Abgeordneten Gesine Lötzsch mit 127 und Petra Pau mit 66 Auftritten haben als absolute Vielredner(innen) sogar Außenminister Joschka Fischer (64) hinter sich gelassen, wie der Politik-Dienst www.politikerscreen. de vermeldet. Unter den "Top 25" findet sich auch Ulrike Höfken (Bitburg), die sich als Grünen-Agrarexpertin bei 40 Auftritten Gehör verschaffte und damit sogar Platz fünf "erkämpfte". Bis auf Rang 13 schaffte es immerhin der umtriebige Mainzer Oberliberale Rainer Brüderle, der sich zeitlebens gern zu Wort meldet. Doch wo manche reden und reden, fehlen anderen die Worte. Exakt 67 Volksvertreter fanden ebensolche zumindest offiziell im Bundestag noch nicht. Darunter auch - wenig überraschend - Ex-SPD-Spitzenpolitiker Rudolf Scharping. Der machte zumindest in dieser Woche mit seinem Abschied als Vize-Parteichef von sich Reden, selbst wenn er sich wieder einmal äußerst wortkarg gab. Nichts beizutragen zu den Debatten im Reichstag hatten im ersten Jahr auch die rheinland-pfälzischen CDU-Abgeordneten Joachim Hörster, Ralf Göbel und Wilhelm-Josef Sebastian. Stillschweigen haben sich neben Scharping bisher auch die Genossen Michael Hartmann und Gustav Herzog auferlegt. Ihr Pfälzer Parteifreund Heinz Schmitt hatte es in der vergangenen Wahlperiode sogar geschafft, die kompletten vier Jahre nicht das Wort im Plenum zu ergreifen. Die Sprache zumindest vorübergehend verschlagen hat es in dieser Woche offenbar auch dem ansonsten forschen Rainer Brüderle. Berliner Liberale hatten sich in ihrem Rundumschlag gegen die FDP-Führung den Partei-Vize ausgeguckt und ihm Reformblockade vorgeworfen. "Mit der Argumentation, die er manchmal liefert, hätte er keine Klausur im Fach Volkswirtschaft bestanden", musste sich der Diplom-Volkswirt und frühere rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister vorhalten lassen. Brüderle, ansonsten mit Presseerklärungen zu Themen rund um das Sachgebiet "Gott und die Welt" st nie verlegen, hielt sich mit der Gegenrede zurück. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, sagt der Volksmund.

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