Patientenwille soll entscheiden

MAINZ. Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland im Gegensatz zu den Niederlanden eindeutig verboten. Doch auch die passive Sterbehilfe wirft viele Fragen auf. Gerichtsurteile bringen keine letzte Klarheit. Ausschlag geben sollte der Wille der Patienten, sagt Justizminister Herbert Mertin, Vorsitzender der Bioethik-Kommission im Land.

Leben ohne Hirnfunktion, allein dank Apparaten: Der medizinische Fortschritt macht vieles möglich und wird dabei nicht von jedem als uneingeschränkter Segen empfunden. Ein selbstbestimmtes Leben geht verloren. Seit dem Jahr 2000 beschäftigt sich die Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz, die die Landesregierung berät, mit dem Thema Sterbehilfe. Sie will dazu Anfang 2004 Empfehlungen vorlegen. Viele Fragen treiben die Kommission um: Was ist rechtlich zulässig, was ist ethisch vertretbar, um Leiden zu verkürzen?Kaum zu erwarten ist, dass sich die Kommission für eine Duldung von aktiver Sterbehilfe aussprechen wird. Doch auch die im Grundsatz zulässige passive Sterbehilfe, also der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, das Abschalten von Geräten oder der Abbruch einer ärztlichen Behandlung sorgen für viele Unsicherheiten. So genügt es laut Bundesgerichtshof nicht, dass eine Patientenverfügung auf Behandlungsverzicht vorliegt und der als Betreuer eingesetzte Sohn diesen Verzicht durchsetzen will, wenn gleichzeitig die Ärzte eine Lebensverlängerung anbieten. Nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes darf in diesem Falle die Behandlung durch den Betreuer verweigert werden. Auch andere Gerichtsurteile haben laut Justizminister Mertin eher zur Verunsicherung als zur Klarstellung beigetragen. Eine Folge könnte sein, dass Ärzte allein schon aus Gründen der eigenen Sicherheit Patienten weiter behandeln, auch wenn dies deren klarem Willen zuwiderläuft. Der Patientenwille müsse Vorrang haben, auch wenn sich Mediziner teilweise sehr schwer damit täten, so Mertin. Eindeutig festgelegt ist bisher nur, dass gegen den ausdrücklichen aktuellen Willen eines Patienten nicht behandelt werden darf.Doch noch vieles ist nicht geregelt, etwa wie schriftlich oder mündlich mitgeteilte Wünsche von Patienten anzuerkennen sind, die zum Zeitpunkt der Behandlung nicht mehr selbst bestimmen können. Rechtsunsicherheiten bleiben, vor allem heikle Probleme in einzelnen Fällen. Das Bundesjustizministerium hat eigens eine Kommission eingesetzt, die sich mit Patientenverfügungen befasst.Sich beraten lassen und klar formulieren

Mertin empfiehlt jedermann, eine möglichst präzise vorsorgende Verfügung abzufassen. Nur aufzuschreiben, dass keine Intensivmedizin gewünscht wird, greift nach seinen Worten zu kurz. Denn was im Falle eines todkranken Krebspatienten sinnvoll erscheinen mag, muss bei einem Unfallopfer noch lange nicht nachvollziehbar sein. Sich mit einem Arzt beraten und sorgfältig formulieren, rät Mertin. Vor allem sind auch die Angehörigen einzubinden. Liegt eine Patientenverfügung vor, ist der Arzt gehalten den Willen des Patienten zu respektieren. Im Zweifel kann der Betreuer das Vormundschaftsgericht einschalten. Doch das größte Problem ist bisher, dass bei den meisten Menschen noch keinerlei Bewusstsein für den Sinn der Patientenverfügung vorhanden ist. Der Wille bleibt so nicht selten unergründlich.

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